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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
Aemter und Anstellungen zu bekleiden erhöht werden wird und
eine Minderwerthigkeit in dieser Weise ausgebildeter Frauen
gegenüber den oft viel weniger gebildeten Männern nicht
länger behauptet werden kann. Und endlich ist anzunehmen,
dass mit der zunehmenden selbständigen Erwerbsfähigkeit
der Frauen, auch ihre Neigung sich mit öffentlichen Dingen
aktiv zu beschäftigen zunehme, weil sie die Nothwendig-
keit
verspüren werden, ihren selbständigen Erwerb durch
eine gute Gesetzgebung zu vertheidigen. Eine gute Gesetz-
gebung in seinem Sinne erlangt nur derjenige sicher, der
das Recht hat, daran selber Theil zu nehmen, sonst bleibt das
mehr oder weniger illusorisch. Daher urtheilt ein englischer
Philosoph völlig richtig, wenn er sagt, das allgemeine Wahlrecht
sei nicht desshalb so wichtig, weil es den daran Betheiligten
ein Recht, oder eine Satisfaktion ihres Selbstgefühls ver-
schaffe, sondern weil es ihnen allein eine Garantie dafür biete,
nicht schlecht regiert zu werden. Der weitaus grössten Zahl
von Menschen in einem Staat ist es in der That gleichgültig
und muss es gleichgültig sein, ob sie an der Regierung
desselben aktiv Theil nehmen können, oder nicht, aber gut
regiert werden
, das wollen Alle und dafür müssen sie er-
fahrungsgemäss selbst sorgen, das wird ihnen nicht als Ge-
schenk der Götter entgegengebracht. Und dieses Interesse
haben Frauen gerade so gut, wie Männer. Das wird sie
allmählig in allen Ländern dazu bewegen, diese Garantie
in ihre eigene Hand nehmen zu wollen.

2. Was die politische Parteinahme der Frauen
anbetrifft, so bestehen darüber sehr verschiedene Ansichten,
und, es ist beinahe anzunehmen, auch verschiedene Ver-
hältnisse in den einzelnen Ländern. In England und Frank-
reich neigt man vorzugsweise zu der Ansicht, dass die stim-

Frauenstimmrecht.
Aemter und Anstellungen zu bekleiden erhöht werden wird und
eine Minderwerthigkeit in dieser Weise ausgebildeter Frauen
gegenüber den oft viel weniger gebildeten Männern nicht
länger behauptet werden kann. Und endlich ist anzunehmen,
dass mit der zunehmenden selbständigen Erwerbsfähigkeit
der Frauen, auch ihre Neigung sich mit öffentlichen Dingen
aktiv zu beschäftigen zunehme, weil sie die Nothwendig-
keit
verspüren werden, ihren selbständigen Erwerb durch
eine gute Gesetzgebung zu vertheidigen. Eine gute Gesetz-
gebung in seinem Sinne erlangt nur derjenige sicher, der
das Recht hat, daran selber Theil zu nehmen, sonst bleibt das
mehr oder weniger illusorisch. Daher urtheilt ein englischer
Philosoph völlig richtig, wenn er sagt, das allgemeine Wahlrecht
sei nicht desshalb so wichtig, weil es den daran Betheiligten
ein Recht, oder eine Satisfaktion ihres Selbstgefühls ver-
schaffe, sondern weil es ihnen allein eine Garantie dafür biete,
nicht schlecht regiert zu werden. Der weitaus grössten Zahl
von Menschen in einem Staat ist es in der That gleichgültig
und muss es gleichgültig sein, ob sie an der Regierung
desselben aktiv Theil nehmen können, oder nicht, aber gut
regiert werden
, das wollen Alle und dafür müssen sie er-
fahrungsgemäss selbst sorgen, das wird ihnen nicht als Ge-
schenk der Götter entgegengebracht. Und dieses Interesse
haben Frauen gerade so gut, wie Männer. Das wird sie
allmählig in allen Ländern dazu bewegen, diese Garantie
in ihre eigene Hand nehmen zu wollen.

2. Was die politische Parteinahme der Frauen
anbetrifft, so bestehen darüber sehr verschiedene Ansichten,
und, es ist beinahe anzunehmen, auch verschiedene Ver-
hältnisse in den einzelnen Ländern. In England und Frank-
reich neigt man vorzugsweise zu der Ansicht, dass die stim-

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[277/0037] Frauenstimmrecht. Aemter und Anstellungen zu bekleiden erhöht werden wird und eine Minderwerthigkeit in dieser Weise ausgebildeter Frauen gegenüber den oft viel weniger gebildeten Männern nicht länger behauptet werden kann. Und endlich ist anzunehmen, dass mit der zunehmenden selbständigen Erwerbsfähigkeit der Frauen, auch ihre Neigung sich mit öffentlichen Dingen aktiv zu beschäftigen zunehme, weil sie die Nothwendig- keit verspüren werden, ihren selbständigen Erwerb durch eine gute Gesetzgebung zu vertheidigen. Eine gute Gesetz- gebung in seinem Sinne erlangt nur derjenige sicher, der das Recht hat, daran selber Theil zu nehmen, sonst bleibt das mehr oder weniger illusorisch. Daher urtheilt ein englischer Philosoph völlig richtig, wenn er sagt, das allgemeine Wahlrecht sei nicht desshalb so wichtig, weil es den daran Betheiligten ein Recht, oder eine Satisfaktion ihres Selbstgefühls ver- schaffe, sondern weil es ihnen allein eine Garantie dafür biete, nicht schlecht regiert zu werden. Der weitaus grössten Zahl von Menschen in einem Staat ist es in der That gleichgültig und muss es gleichgültig sein, ob sie an der Regierung desselben aktiv Theil nehmen können, oder nicht, aber gut regiert werden, das wollen Alle und dafür müssen sie er- fahrungsgemäss selbst sorgen, das wird ihnen nicht als Ge- schenk der Götter entgegengebracht. Und dieses Interesse haben Frauen gerade so gut, wie Männer. Das wird sie allmählig in allen Ländern dazu bewegen, diese Garantie in ihre eigene Hand nehmen zu wollen. 2. Was die politische Parteinahme der Frauen anbetrifft, so bestehen darüber sehr verschiedene Ansichten, und, es ist beinahe anzunehmen, auch verschiedene Ver- hältnisse in den einzelnen Ländern. In England und Frank- reich neigt man vorzugsweise zu der Ansicht, dass die stim-

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/37>, abgerufen am 23.11.2024.