Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Frauenstimmrecht.
Zahl der Stimmberechtigten in jedem Staate um mehr als die
Hälfte erhöht und es kann eine solche Masse neuer Stimmender
und Wühlender einen sehr bedeutenden, ja unter Umständen
ausschlaggebenden Einfluss auf die politischen Verhält-
nisse ausüben. Es giebt in unseren modernen Staaten, nachdem
das politische Majorennitätsalter schon stark herabgedrückt
worden ist, und andere Ausschlussgründe, sei es ökonomischer
Art, oder wegen mangelnder nothdürftigster Bildung, im
Verschwinden begriffen sind, keine Massregel, mit der man
politisch soviel ausrichten, ja unter Umständen die ganze
Politik eines Staatswesens ändern kann, wie die Einführung
des Frauenstimmrechts. Dessenungeachtet (oder vielleicht
gerade desswegen) besteht die politische Gleichberech-
tigung
der Frauen vorläufig nur in verhältnissmässig
wenigen Staaten, vorzüglich in kleinen Gebieten der Ver-
einigten Staaten von Nordamerika.

Politisch gleichberechtigt sind die Frauen mit den
Männern in dem früheren Territorium, jetzigen Staate
Wyoming (westlich von Nebrasca an der Pacificbahn), ur-
sprünglich nach einem Territorial-Gesetze vom 10. Dezember
1869, das in den Beilagen abgedruckt ist, jetzt nach dem
Artikel 3 der interessanten, aber wenig bekannten Staats-
verfassung vom 30. Sept. 1889, die sich ebenfalls in den Beilagen
findet. Es war dies der erste Staat in der Welt, welcher den
Geschlechtsunterschied in Bezug auf bürgerliche Rechte be-
seitigte; auch dieses Stück moderner Freiheit hat also, wie
die Glaubens- und Gewissensfreiheit, seine Geburtsstätte in
Amerika. Die gleiche Bestimmung bestand bereits auch in
dem früheren Territorium, jetzigen Staate Washington1).

1) Nicht zu verwechseln mit dem Bundesgebiet, auf dem die
Hauptstadt Washington steht und das zu keinem der Gliederstaaten
der Union gehört. Dort besteht das Frauenstimmrecht nicht.

Frauenstimmrecht.
Zahl der Stimmberechtigten in jedem Staate um mehr als die
Hälfte erhöht und es kann eine solche Masse neuer Stimmender
und Wühlender einen sehr bedeutenden, ja unter Umständen
ausschlaggebenden Einfluss auf die politischen Verhält-
nisse ausüben. Es giebt in unseren modernen Staaten, nachdem
das politische Majorennitätsalter schon stark herabgedrückt
worden ist, und andere Ausschlussgründe, sei es ökonomischer
Art, oder wegen mangelnder nothdürftigster Bildung, im
Verschwinden begriffen sind, keine Massregel, mit der man
politisch soviel ausrichten, ja unter Umständen die ganze
Politik eines Staatswesens ändern kann, wie die Einführung
des Frauenstimmrechts. Dessenungeachtet (oder vielleicht
gerade desswegen) besteht die politische Gleichberech-
tigung
der Frauen vorläufig nur in verhältnissmässig
wenigen Staaten, vorzüglich in kleinen Gebieten der Ver-
einigten Staaten von Nordamerika.

Politisch gleichberechtigt sind die Frauen mit den
Männern in dem früheren Territorium, jetzigen Staate
Wyoming (westlich von Nebrasca an der Pacificbahn), ur-
sprünglich nach einem Territorial-Gesetze vom 10. Dezember
1869, das in den Beilagen abgedruckt ist, jetzt nach dem
Artikel 3 der interessanten, aber wenig bekannten Staats-
verfassung vom 30. Sept. 1889, die sich ebenfalls in den Beilagen
findet. Es war dies der erste Staat in der Welt, welcher den
Geschlechtsunterschied in Bezug auf bürgerliche Rechte be-
seitigte; auch dieses Stück moderner Freiheit hat also, wie
die Glaubens- und Gewissensfreiheit, seine Geburtsstätte in
Amerika. Die gleiche Bestimmung bestand bereits auch in
dem früheren Territorium, jetzigen Staate Washington1).

1) Nicht zu verwechseln mit dem Bundesgebiet, auf dem die
Hauptstadt Washington steht und das zu keinem der Gliederstaaten
der Union gehört. Dort besteht das Frauenstimmrecht nicht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="257"/><fw place="top" type="header">Frauenstimmrecht.</fw>
 Zahl der Stimmberechtigten in jedem Staate um mehr als die<lb/>
Hälfte erhöht und es kann eine solche Masse neuer Stimmender<lb/>
und Wühlender einen sehr bedeutenden, ja unter Umständen<lb/><hi rendition="#g">ausschlaggebenden</hi> Einfluss auf die politischen Verhält-<lb/>
nisse ausüben. Es giebt in unseren modernen Staaten, nachdem<lb/>
das politische Majorennitätsalter schon stark herabgedrückt<lb/>
worden ist, und andere Ausschlussgründe, sei es ökonomischer<lb/>
Art, oder wegen mangelnder nothdürftigster Bildung, im<lb/>
Verschwinden begriffen sind, keine Massregel, mit der man<lb/>
politisch soviel ausrichten, ja unter Umständen die ganze<lb/>
Politik eines Staatswesens ändern kann, wie die Einführung<lb/>
des Frauenstimmrechts. Dessenungeachtet (oder vielleicht<lb/>
gerade desswegen) besteht die politische <hi rendition="#g">Gleichberech-<lb/>
tigung</hi> der Frauen vorläufig nur in verhältnissmässig<lb/>
wenigen Staaten, vorzüglich in kleinen Gebieten der Ver-<lb/>
einigten Staaten von Nordamerika.</p><lb/>
          <p>Politisch gleichberechtigt sind die Frauen mit den<lb/>
Männern in dem früheren Territorium, jetzigen Staate<lb/><hi rendition="#g">Wyoming</hi> (westlich von Nebrasca an der Pacificbahn), ur-<lb/>
sprünglich nach einem Territorial-Gesetze vom 10. Dezember<lb/>
1869, das in den Beilagen abgedruckt ist, jetzt nach dem<lb/>
Artikel 3 der interessanten, aber wenig bekannten Staats-<lb/>
verfassung vom 30. Sept. 1889, die sich ebenfalls in den Beilagen<lb/>
findet. Es war dies der erste Staat in der Welt, welcher den<lb/>
Geschlechtsunterschied in Bezug auf bürgerliche Rechte be-<lb/>
seitigte; auch dieses Stück moderner Freiheit hat also, wie<lb/>
die Glaubens- und Gewissensfreiheit, seine Geburtsstätte in<lb/>
Amerika. Die gleiche Bestimmung bestand bereits auch in<lb/>
dem früheren Territorium, jetzigen Staate <hi rendition="#g">Washington</hi><note place="foot" n="1)">Nicht zu verwechseln mit dem Bundesgebiet, auf dem die<lb/>
Hauptstadt Washington steht und das zu keinem der Gliederstaaten<lb/>
der Union gehört. Dort besteht das Frauenstimmrecht nicht.</note>.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0017] Frauenstimmrecht. Zahl der Stimmberechtigten in jedem Staate um mehr als die Hälfte erhöht und es kann eine solche Masse neuer Stimmender und Wühlender einen sehr bedeutenden, ja unter Umständen ausschlaggebenden Einfluss auf die politischen Verhält- nisse ausüben. Es giebt in unseren modernen Staaten, nachdem das politische Majorennitätsalter schon stark herabgedrückt worden ist, und andere Ausschlussgründe, sei es ökonomischer Art, oder wegen mangelnder nothdürftigster Bildung, im Verschwinden begriffen sind, keine Massregel, mit der man politisch soviel ausrichten, ja unter Umständen die ganze Politik eines Staatswesens ändern kann, wie die Einführung des Frauenstimmrechts. Dessenungeachtet (oder vielleicht gerade desswegen) besteht die politische Gleichberech- tigung der Frauen vorläufig nur in verhältnissmässig wenigen Staaten, vorzüglich in kleinen Gebieten der Ver- einigten Staaten von Nordamerika. Politisch gleichberechtigt sind die Frauen mit den Männern in dem früheren Territorium, jetzigen Staate Wyoming (westlich von Nebrasca an der Pacificbahn), ur- sprünglich nach einem Territorial-Gesetze vom 10. Dezember 1869, das in den Beilagen abgedruckt ist, jetzt nach dem Artikel 3 der interessanten, aber wenig bekannten Staats- verfassung vom 30. Sept. 1889, die sich ebenfalls in den Beilagen findet. Es war dies der erste Staat in der Welt, welcher den Geschlechtsunterschied in Bezug auf bürgerliche Rechte be- seitigte; auch dieses Stück moderner Freiheit hat also, wie die Glaubens- und Gewissensfreiheit, seine Geburtsstätte in Amerika. Die gleiche Bestimmung bestand bereits auch in dem früheren Territorium, jetzigen Staate Washington 1). 1) Nicht zu verwechseln mit dem Bundesgebiet, auf dem die Hauptstadt Washington steht und das zu keinem der Gliederstaaten der Union gehört. Dort besteht das Frauenstimmrecht nicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-12T09:45:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-12T09:45:20Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-07-12T09:45:20Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: ignoriert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: expandiert, markiert
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/17
Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/17>, abgerufen am 11.12.2024.