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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Jahre Alles, was sie quälte, und als sie spät am andern Morgen aufwachte, mußte sie sich erst besinnen, daß die Mutter wirklich gestorben war. Auch konnte sie, so gern sie es gewollt hätte, keine rechte Trauer erschwingen, nur ein unheimliches Gefühl hielt sie lange zurück, die Thür zu öffnen und das Haus wieder zu betreten. Sie fand aber drinnen den Zehnuhrmesser und ihre Freundin, die Rosine, und war froh, daß ihr alle weitere Sorge abgenommen wurde. Am Tage nach dem Begräbniß sonnte sie sich schon wieder auf der Bank vor dem Hause und lachte hell auf über ihre jungen Katzen, die sich mit einem Maiskolben auf dem Boden herumtummelten. Vierzehn Tage später saß sie im leichten Wägelchen neben der Rosel; der Franz auf dem Bock kutschirte; sie fuhren die Vintschgauerstraße hinauf, und wer ihnen begegnete, stand still, um dem schönen blonden Mädchen nachzusehen, das in Trauerkleidern dahinfuhr, aber die lustigsten Augen von der Welt in der grünen Frühlingslandschaft herumschweifen ließ.

Erst als sie das alte Kloster droben am Berg liegen sah, auf einem kahlen, dunklen Granitkegel, ringsum nur spärlicher Baumwuchs, und die Schlucht dahinter schon am frühen Nachmittag schwarz und schauerlich, wie ein Thor der Hölle, wurde sie still und ernsthaft und sprach kein Wort mehr mit der Rosine, die nicht minder schweigsam zu dem schwalbenumflogenen Glockenthurm emporsah. Ein armes Dorf

Jahre Alles, was sie quälte, und als sie spät am andern Morgen aufwachte, mußte sie sich erst besinnen, daß die Mutter wirklich gestorben war. Auch konnte sie, so gern sie es gewollt hätte, keine rechte Trauer erschwingen, nur ein unheimliches Gefühl hielt sie lange zurück, die Thür zu öffnen und das Haus wieder zu betreten. Sie fand aber drinnen den Zehnuhrmesser und ihre Freundin, die Rosine, und war froh, daß ihr alle weitere Sorge abgenommen wurde. Am Tage nach dem Begräbniß sonnte sie sich schon wieder auf der Bank vor dem Hause und lachte hell auf über ihre jungen Katzen, die sich mit einem Maiskolben auf dem Boden herumtummelten. Vierzehn Tage später saß sie im leichten Wägelchen neben der Rosel; der Franz auf dem Bock kutschirte; sie fuhren die Vintschgauerstraße hinauf, und wer ihnen begegnete, stand still, um dem schönen blonden Mädchen nachzusehen, das in Trauerkleidern dahinfuhr, aber die lustigsten Augen von der Welt in der grünen Frühlingslandschaft herumschweifen ließ.

Erst als sie das alte Kloster droben am Berg liegen sah, auf einem kahlen, dunklen Granitkegel, ringsum nur spärlicher Baumwuchs, und die Schlucht dahinter schon am frühen Nachmittag schwarz und schauerlich, wie ein Thor der Hölle, wurde sie still und ernsthaft und sprach kein Wort mehr mit der Rosine, die nicht minder schweigsam zu dem schwalbenumflogenen Glockenthurm emporsah. Ein armes Dorf

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[0087] Jahre Alles, was sie quälte, und als sie spät am andern Morgen aufwachte, mußte sie sich erst besinnen, daß die Mutter wirklich gestorben war. Auch konnte sie, so gern sie es gewollt hätte, keine rechte Trauer erschwingen, nur ein unheimliches Gefühl hielt sie lange zurück, die Thür zu öffnen und das Haus wieder zu betreten. Sie fand aber drinnen den Zehnuhrmesser und ihre Freundin, die Rosine, und war froh, daß ihr alle weitere Sorge abgenommen wurde. Am Tage nach dem Begräbniß sonnte sie sich schon wieder auf der Bank vor dem Hause und lachte hell auf über ihre jungen Katzen, die sich mit einem Maiskolben auf dem Boden herumtummelten. Vierzehn Tage später saß sie im leichten Wägelchen neben der Rosel; der Franz auf dem Bock kutschirte; sie fuhren die Vintschgauerstraße hinauf, und wer ihnen begegnete, stand still, um dem schönen blonden Mädchen nachzusehen, das in Trauerkleidern dahinfuhr, aber die lustigsten Augen von der Welt in der grünen Frühlingslandschaft herumschweifen ließ. Erst als sie das alte Kloster droben am Berg liegen sah, auf einem kahlen, dunklen Granitkegel, ringsum nur spärlicher Baumwuchs, und die Schlucht dahinter schon am frühen Nachmittag schwarz und schauerlich, wie ein Thor der Hölle, wurde sie still und ernsthaft und sprach kein Wort mehr mit der Rosine, die nicht minder schweigsam zu dem schwalbenumflogenen Glockenthurm emporsah. Ein armes Dorf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/87>, abgerufen am 22.11.2024.