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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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den Brief der Rosine, mit der sie jetzt öfter zusammemkam; denn seit der Andree ins Kloster gegangen, hatte der Bauer auf Goyen nichts mehr einzuwenden gegen den Verkehr seiner Kinder mit dem einsamen Mädchen, das ihm ganz gleichgültig war. Rosine las den Brief stillschweigend und legte ihn wieder hin. Er war ihr lange nicht herzlich genug. Wenn er darauf nicht kommt, sagte die Moidi, so muß er einen Schatz haben, droben in den Vintschgerbergen. -- Wo denkst du hin? erwiderte die Andere. Der Bote von Algund hat ihn selbst in der Kutte gesehn. -- Moidi wurde blaß. Wenn's wirklich wäre, ich grämte mich halbtodt, sagte sie. Dann wäre Niemand dran Schuld, als -- als die Mutter, wollte sie sagen; aber sie schwieg. Denn sie hörte die Alte im Nebenzimmer husten und stöhnen, da sie von einem jähen Fall auf dem Glatteis schwer darniederlag. Es waren böse Tage, und jede Nacht kam das Fieber und lockte wilde, wunderliche Reden aus ihr heraus, über denen ihr Kind glücklicher Weise einzuschlafen pflegte. Der Zehnuhrmesser sprach fleißig vor, auch die Tante Anna stieg, da es sich auf das Frühjahr verschlimmerte, einige Male den Küchelberg hinauf. Dann ging ihr Neffe, der Hirzerfranz, der wieder von Innsbruck zurückgekehrt war, bis an die Thür des kleinen Hauses mit, und während sich die Alten drinnen besprachen, führte er in der üblichen Weise ansehnlicher junger Bursche einen nachlässigen Discurs mit der blonden Moidi, die viel dabei zu lachen

den Brief der Rosine, mit der sie jetzt öfter zusammemkam; denn seit der Andree ins Kloster gegangen, hatte der Bauer auf Goyen nichts mehr einzuwenden gegen den Verkehr seiner Kinder mit dem einsamen Mädchen, das ihm ganz gleichgültig war. Rosine las den Brief stillschweigend und legte ihn wieder hin. Er war ihr lange nicht herzlich genug. Wenn er darauf nicht kommt, sagte die Moidi, so muß er einen Schatz haben, droben in den Vintschgerbergen. — Wo denkst du hin? erwiderte die Andere. Der Bote von Algund hat ihn selbst in der Kutte gesehn. — Moidi wurde blaß. Wenn's wirklich wäre, ich grämte mich halbtodt, sagte sie. Dann wäre Niemand dran Schuld, als — als die Mutter, wollte sie sagen; aber sie schwieg. Denn sie hörte die Alte im Nebenzimmer husten und stöhnen, da sie von einem jähen Fall auf dem Glatteis schwer darniederlag. Es waren böse Tage, und jede Nacht kam das Fieber und lockte wilde, wunderliche Reden aus ihr heraus, über denen ihr Kind glücklicher Weise einzuschlafen pflegte. Der Zehnuhrmesser sprach fleißig vor, auch die Tante Anna stieg, da es sich auf das Frühjahr verschlimmerte, einige Male den Küchelberg hinauf. Dann ging ihr Neffe, der Hirzerfranz, der wieder von Innsbruck zurückgekehrt war, bis an die Thür des kleinen Hauses mit, und während sich die Alten drinnen besprachen, führte er in der üblichen Weise ansehnlicher junger Bursche einen nachlässigen Discurs mit der blonden Moidi, die viel dabei zu lachen

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den Brief der Rosine, mit der sie jetzt öfter zusammemkam;     denn seit der Andree ins Kloster gegangen, hatte der Bauer auf Goyen nichts mehr einzuwenden     gegen den Verkehr seiner Kinder mit dem einsamen Mädchen, das ihm ganz gleichgültig war. Rosine     las den Brief stillschweigend und legte ihn wieder hin. Er war ihr lange nicht herzlich genug.     Wenn er darauf nicht kommt, sagte die Moidi, so muß er einen Schatz haben, droben in den     Vintschgerbergen. &#x2014; Wo denkst du hin? erwiderte die Andere. Der Bote von Algund hat ihn selbst     in der Kutte gesehn. &#x2014; Moidi wurde blaß. Wenn's wirklich wäre, ich grämte mich halbtodt, sagte     sie. Dann wäre Niemand dran Schuld, als &#x2014; als die Mutter, wollte sie sagen; aber sie schwieg.     Denn sie hörte die Alte im Nebenzimmer husten und stöhnen, da sie von einem jähen Fall auf dem     Glatteis schwer darniederlag. Es waren böse Tage, und jede Nacht kam das Fieber und lockte     wilde, wunderliche Reden aus ihr heraus, über denen ihr Kind glücklicher Weise einzuschlafen     pflegte. Der Zehnuhrmesser sprach fleißig vor, auch die Tante Anna stieg, da es sich auf das     Frühjahr verschlimmerte, einige Male den Küchelberg hinauf. Dann ging ihr Neffe, der     Hirzerfranz, der wieder von Innsbruck zurückgekehrt war, bis an die Thür des kleinen Hauses mit,     und während sich die Alten drinnen besprachen, führte er in der üblichen Weise ansehnlicher     junger Bursche einen nachlässigen Discurs mit der blonden Moidi, die viel dabei zu lachen<lb/></p>
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[0084] den Brief der Rosine, mit der sie jetzt öfter zusammemkam; denn seit der Andree ins Kloster gegangen, hatte der Bauer auf Goyen nichts mehr einzuwenden gegen den Verkehr seiner Kinder mit dem einsamen Mädchen, das ihm ganz gleichgültig war. Rosine las den Brief stillschweigend und legte ihn wieder hin. Er war ihr lange nicht herzlich genug. Wenn er darauf nicht kommt, sagte die Moidi, so muß er einen Schatz haben, droben in den Vintschgerbergen. — Wo denkst du hin? erwiderte die Andere. Der Bote von Algund hat ihn selbst in der Kutte gesehn. — Moidi wurde blaß. Wenn's wirklich wäre, ich grämte mich halbtodt, sagte sie. Dann wäre Niemand dran Schuld, als — als die Mutter, wollte sie sagen; aber sie schwieg. Denn sie hörte die Alte im Nebenzimmer husten und stöhnen, da sie von einem jähen Fall auf dem Glatteis schwer darniederlag. Es waren böse Tage, und jede Nacht kam das Fieber und lockte wilde, wunderliche Reden aus ihr heraus, über denen ihr Kind glücklicher Weise einzuschlafen pflegte. Der Zehnuhrmesser sprach fleißig vor, auch die Tante Anna stieg, da es sich auf das Frühjahr verschlimmerte, einige Male den Küchelberg hinauf. Dann ging ihr Neffe, der Hirzerfranz, der wieder von Innsbruck zurückgekehrt war, bis an die Thür des kleinen Hauses mit, und während sich die Alten drinnen besprachen, führte er in der üblichen Weise ansehnlicher junger Bursche einen nachlässigen Discurs mit der blonden Moidi, die viel dabei zu lachen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/84>, abgerufen am 24.11.2024.