Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

schwieg. Als zum zweitenmal ihr Name gerufen wurde, trat sie spähend an das Stiegengeländer vor. Wer ist drunten? rief sie mit zitternder Stimme. Bist du's, Andree?

Ich bin's, gab der Jüngling zur Antwort. Ist der Zehnuhrmesser droben im Haus?

Sie schien die Frage überhört zu haben. Im Nu war sie in das Haus zurückgesprungen und ließ ihn in zorniger Ungeduld drunten harren. Rosine! rief er überlaut, daß die Trümmerwölbungen wiederhallten. Da trat sie schon wieder heraus, ein Tuch übergeworfen, und huschte an dem Hunde vorbei, die steile Treppe hinab. Andree! ist's möglich? flüsterte sie, hastig auf ihn zu eilend. Was suchst du hier zu dieser Zeit? Ist was passirt, mit der Moidi, oder --

Den Zehnuhrmesser such' ich, unterbrach er sie. Sag', ob er droben ist, oder wo ich ihn finden kann.

Er ist droben, antwortete sie rasch. Komm hinauf. Ich bring' dich zu ihm, der Vater schläft fest, Niemand soll's wissen, als die Tante.

Auch die nicht, herrschte der Bursch. Ich habe keine Zeit übrig. Gut, daß du bei der Hand warst. Ich war drauf und dran, umzukehren.

Sie stiegen die Treppe hinauf, der Hund winselte unwirsch, aber ließ sie unangefochten eintreten.

Ich hab' von dir geträumt, grad' eh du kamst, sagte das Mädchen, während sie in der Küche, dicht

schwieg. Als zum zweitenmal ihr Name gerufen wurde, trat sie spähend an das Stiegengeländer vor. Wer ist drunten? rief sie mit zitternder Stimme. Bist du's, Andree?

Ich bin's, gab der Jüngling zur Antwort. Ist der Zehnuhrmesser droben im Haus?

Sie schien die Frage überhört zu haben. Im Nu war sie in das Haus zurückgesprungen und ließ ihn in zorniger Ungeduld drunten harren. Rosine! rief er überlaut, daß die Trümmerwölbungen wiederhallten. Da trat sie schon wieder heraus, ein Tuch übergeworfen, und huschte an dem Hunde vorbei, die steile Treppe hinab. Andree! ist's möglich? flüsterte sie, hastig auf ihn zu eilend. Was suchst du hier zu dieser Zeit? Ist was passirt, mit der Moidi, oder —

Den Zehnuhrmesser such' ich, unterbrach er sie. Sag', ob er droben ist, oder wo ich ihn finden kann.

Er ist droben, antwortete sie rasch. Komm hinauf. Ich bring' dich zu ihm, der Vater schläft fest, Niemand soll's wissen, als die Tante.

Auch die nicht, herrschte der Bursch. Ich habe keine Zeit übrig. Gut, daß du bei der Hand warst. Ich war drauf und dran, umzukehren.

Sie stiegen die Treppe hinauf, der Hund winselte unwirsch, aber ließ sie unangefochten eintreten.

Ich hab' von dir geträumt, grad' eh du kamst, sagte das Mädchen, während sie in der Küche, dicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0069"/>
schwieg. Als zum zweitenmal ihr Name gerufen wurde, trat     sie spähend an das Stiegengeländer vor. Wer ist drunten? rief sie mit zitternder Stimme. Bist     du's, Andree?</p><lb/>
        <p>Ich bin's, gab der Jüngling zur Antwort. Ist der Zehnuhrmesser droben im Haus?</p><lb/>
        <p>Sie schien die Frage überhört zu haben. Im Nu war sie in das Haus zurückgesprungen und ließ     ihn in zorniger Ungeduld drunten harren. Rosine! rief er überlaut, daß die Trümmerwölbungen     wiederhallten. Da trat sie schon wieder heraus, ein Tuch übergeworfen, und huschte an dem Hunde     vorbei, die steile Treppe hinab. Andree! ist's möglich? flüsterte sie, hastig auf ihn zu eilend.     Was suchst du hier zu dieser Zeit? Ist was passirt, mit der Moidi, oder &#x2014;</p><lb/>
        <p>Den Zehnuhrmesser such' ich, unterbrach er sie. Sag', ob er droben ist, oder wo ich ihn finden     kann.</p><lb/>
        <p>Er ist droben, antwortete sie rasch. Komm hinauf. Ich bring' dich zu ihm, der Vater schläft     fest, Niemand soll's wissen, als die Tante.</p><lb/>
        <p>Auch die nicht, herrschte der Bursch. Ich habe keine Zeit übrig. Gut, daß du bei der Hand     warst. Ich war drauf und dran, umzukehren.</p><lb/>
        <p>Sie stiegen die Treppe hinauf, der Hund winselte unwirsch, aber ließ sie unangefochten     eintreten.</p><lb/>
        <p>Ich hab' von dir geträumt, grad' eh du kamst, sagte das Mädchen, während sie in der Küche,     dicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0069] schwieg. Als zum zweitenmal ihr Name gerufen wurde, trat sie spähend an das Stiegengeländer vor. Wer ist drunten? rief sie mit zitternder Stimme. Bist du's, Andree? Ich bin's, gab der Jüngling zur Antwort. Ist der Zehnuhrmesser droben im Haus? Sie schien die Frage überhört zu haben. Im Nu war sie in das Haus zurückgesprungen und ließ ihn in zorniger Ungeduld drunten harren. Rosine! rief er überlaut, daß die Trümmerwölbungen wiederhallten. Da trat sie schon wieder heraus, ein Tuch übergeworfen, und huschte an dem Hunde vorbei, die steile Treppe hinab. Andree! ist's möglich? flüsterte sie, hastig auf ihn zu eilend. Was suchst du hier zu dieser Zeit? Ist was passirt, mit der Moidi, oder — Den Zehnuhrmesser such' ich, unterbrach er sie. Sag', ob er droben ist, oder wo ich ihn finden kann. Er ist droben, antwortete sie rasch. Komm hinauf. Ich bring' dich zu ihm, der Vater schläft fest, Niemand soll's wissen, als die Tante. Auch die nicht, herrschte der Bursch. Ich habe keine Zeit übrig. Gut, daß du bei der Hand warst. Ich war drauf und dran, umzukehren. Sie stiegen die Treppe hinauf, der Hund winselte unwirsch, aber ließ sie unangefochten eintreten. Ich hab' von dir geträumt, grad' eh du kamst, sagte das Mädchen, während sie in der Küche, dicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/69
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/69>, abgerufen am 22.11.2024.