Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.schauen? Da, es ist nix Rares daran. Wo sollt's auch Herkommen? -- und dann lachte sie mit großer Selbstgefälligkeit in sich hinein, wenn der Beschauer, von der Zierlichkeit des Kindes überrascht, nichts zu sagen wußte, und setzte noch hinzu: 's ist halt nur ein schwarzer Pudel; man sollt' ihn in die Passer werfen, das wär' das Gescheidtest'! -- und lachte wieder auf eine so wunderliche Art, daß es schien, als habe der Muttersegen ihren armen Verstand nicht eben verbessert. Selten wohl ist eine Taufe in Meran unter so großem Zulauf von Statten gegangen. Als aber der Pfarrer nach dem Taufpathen fragte, fand es sich, daß die Moidi diesen wichtigen Punkt gänzlich übersehen hatte. Niemand meldete sich auf die Frage, wer etwa in der versammelten Gemeinde dem Kinde diesen Liebesdienst erweisen wolle; denn es drängte sich Keiner zu einem näheren Verhältniß mit der Mutter, und die Großeltern, der Schande auszuweichen, waren ein paar Stunden weit weg nach Lana zur Kirche gegangen. Da erhob sich endlich die zu allen Opfern der Nächstenliebe Bereite, die Tochter des alten Hirzer, die im vordersten Kirchenstuhl kniete, trat an den Taufstein heran und nahm der Moidi das Kind aus den Armen. Diese Lösung des bedenklichen Knotens erschien Allen als die einfachste, da die Hirzers-Anna mit dem überfließenden Gnadenschatz ihres frommen Wandels der armen Sünderin am füglichsten schauen? Da, es ist nix Rares daran. Wo sollt's auch Herkommen? — und dann lachte sie mit großer Selbstgefälligkeit in sich hinein, wenn der Beschauer, von der Zierlichkeit des Kindes überrascht, nichts zu sagen wußte, und setzte noch hinzu: 's ist halt nur ein schwarzer Pudel; man sollt' ihn in die Passer werfen, das wär' das Gescheidtest'! — und lachte wieder auf eine so wunderliche Art, daß es schien, als habe der Muttersegen ihren armen Verstand nicht eben verbessert. Selten wohl ist eine Taufe in Meran unter so großem Zulauf von Statten gegangen. Als aber der Pfarrer nach dem Taufpathen fragte, fand es sich, daß die Moidi diesen wichtigen Punkt gänzlich übersehen hatte. Niemand meldete sich auf die Frage, wer etwa in der versammelten Gemeinde dem Kinde diesen Liebesdienst erweisen wolle; denn es drängte sich Keiner zu einem näheren Verhältniß mit der Mutter, und die Großeltern, der Schande auszuweichen, waren ein paar Stunden weit weg nach Lana zur Kirche gegangen. Da erhob sich endlich die zu allen Opfern der Nächstenliebe Bereite, die Tochter des alten Hirzer, die im vordersten Kirchenstuhl kniete, trat an den Taufstein heran und nahm der Moidi das Kind aus den Armen. Diese Lösung des bedenklichen Knotens erschien Allen als die einfachste, da die Hirzers-Anna mit dem überfließenden Gnadenschatz ihres frommen Wandels der armen Sünderin am füglichsten <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0038"/> schauen? Da, es ist nix Rares daran. Wo sollt's auch Herkommen? — und dann lachte sie mit großer Selbstgefälligkeit in sich hinein, wenn der Beschauer, von der Zierlichkeit des Kindes überrascht, nichts zu sagen wußte, und setzte noch hinzu: 's ist halt nur ein schwarzer Pudel; man sollt' ihn in die Passer werfen, das wär' das Gescheidtest'! — und lachte wieder auf eine so wunderliche Art, daß es schien, als habe der Muttersegen ihren armen Verstand nicht eben verbessert.</p><lb/> <p>Selten wohl ist eine Taufe in Meran unter so großem Zulauf von Statten gegangen. Als aber der Pfarrer nach dem Taufpathen fragte, fand es sich, daß die Moidi diesen wichtigen Punkt gänzlich übersehen hatte. Niemand meldete sich auf die Frage, wer etwa in der versammelten Gemeinde dem Kinde diesen Liebesdienst erweisen wolle; denn es drängte sich Keiner zu einem näheren Verhältniß mit der Mutter, und die Großeltern, der Schande auszuweichen, waren ein paar Stunden weit weg nach Lana zur Kirche gegangen. Da erhob sich endlich die zu allen Opfern der Nächstenliebe Bereite, die Tochter des alten Hirzer, die im vordersten Kirchenstuhl kniete, trat an den Taufstein heran und nahm der Moidi das Kind aus den Armen. Diese Lösung des bedenklichen Knotens erschien Allen als die einfachste, da die Hirzers-Anna mit dem überfließenden Gnadenschatz ihres frommen Wandels der armen Sünderin am füglichsten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
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Selten wohl ist eine Taufe in Meran unter so großem Zulauf von Statten gegangen. Als aber der Pfarrer nach dem Taufpathen fragte, fand es sich, daß die Moidi diesen wichtigen Punkt gänzlich übersehen hatte. Niemand meldete sich auf die Frage, wer etwa in der versammelten Gemeinde dem Kinde diesen Liebesdienst erweisen wolle; denn es drängte sich Keiner zu einem näheren Verhältniß mit der Mutter, und die Großeltern, der Schande auszuweichen, waren ein paar Stunden weit weg nach Lana zur Kirche gegangen. Da erhob sich endlich die zu allen Opfern der Nächstenliebe Bereite, die Tochter des alten Hirzer, die im vordersten Kirchenstuhl kniete, trat an den Taufstein heran und nahm der Moidi das Kind aus den Armen. Diese Lösung des bedenklichen Knotens erschien Allen als die einfachste, da die Hirzers-Anna mit dem überfließenden Gnadenschatz ihres frommen Wandels der armen Sünderin am füglichsten
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/38>, abgerufen am 16.07.2024. |