Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf alle Gefahr, denn das Getümmel draußen erhitzte sich mit jeder Minute mehr. Er hörte jetzt auch, wie sein allter Geselle, der Köbele, sich ins Mittel zu legen und den Franz wegzudrängen versuchte. Sie sollten warten, was das Amt beschließen würde, der Herr Decan solle gerufen werden, oder der Zehnuhrmesser, der der Beichtvater der schwarzen Moidi gewesen sei, es sei nicht richtig mit dem Handel, die Gerichte würden's schon ausweisen. Und dann wieder die überlaute Fluch- und Gräuelrede des Franz, und dazwischen Geschrei welscher Soldaten, das Ruheheischen einiger alter Männer, Zeter und Wehklage der Weiber und bis zu den fernsten Gruppen hinüber der dumpfe Wiederhall einer empörten Menschenmenge, die von blinden Leidenschaften hin und her gerissen wurde. Der Gefangene gab sich verloren. Schon bedachte er, ob er nicht die Moidi wecken und dann seinen Stutzen von der Wand nehmen und sie und sich erschießen sollte, um sie vor Aergerem zu bewahren, da wurde es draußen auf einmal stiller, und er hörte ein vielfaches Beschwichtigen und Ruhegebieten, dem nur der Franz nicht gehorchte. Aber auch dessen Stimme verstummte plötzlich, und statt ihrer vernahm der Lauscher drinnen im Flur die sanfte aber feste Stimme der Tante Anna, die jetzt nur noch wenige Schritte von dem Hause entfernt sein konnte. Du solltest dich schämen, Franz, hörte er sie sagen, hier am heiligen Sonntag zu toben und zu fluchen und auf alle Gefahr, denn das Getümmel draußen erhitzte sich mit jeder Minute mehr. Er hörte jetzt auch, wie sein allter Geselle, der Köbele, sich ins Mittel zu legen und den Franz wegzudrängen versuchte. Sie sollten warten, was das Amt beschließen würde, der Herr Decan solle gerufen werden, oder der Zehnuhrmesser, der der Beichtvater der schwarzen Moidi gewesen sei, es sei nicht richtig mit dem Handel, die Gerichte würden's schon ausweisen. Und dann wieder die überlaute Fluch- und Gräuelrede des Franz, und dazwischen Geschrei welscher Soldaten, das Ruheheischen einiger alter Männer, Zeter und Wehklage der Weiber und bis zu den fernsten Gruppen hinüber der dumpfe Wiederhall einer empörten Menschenmenge, die von blinden Leidenschaften hin und her gerissen wurde. Der Gefangene gab sich verloren. Schon bedachte er, ob er nicht die Moidi wecken und dann seinen Stutzen von der Wand nehmen und sie und sich erschießen sollte, um sie vor Aergerem zu bewahren, da wurde es draußen auf einmal stiller, und er hörte ein vielfaches Beschwichtigen und Ruhegebieten, dem nur der Franz nicht gehorchte. Aber auch dessen Stimme verstummte plötzlich, und statt ihrer vernahm der Lauscher drinnen im Flur die sanfte aber feste Stimme der Tante Anna, die jetzt nur noch wenige Schritte von dem Hause entfernt sein konnte. Du solltest dich schämen, Franz, hörte er sie sagen, hier am heiligen Sonntag zu toben und zu fluchen und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0145"/> auf alle Gefahr, denn das Getümmel draußen erhitzte sich mit jeder Minute mehr. Er hörte jetzt auch, wie sein allter Geselle, der Köbele, sich ins Mittel zu legen und den Franz wegzudrängen versuchte. Sie sollten warten, was das Amt beschließen würde, der Herr Decan solle gerufen werden, oder der Zehnuhrmesser, der der Beichtvater der schwarzen Moidi gewesen sei, es sei nicht richtig mit dem Handel, die Gerichte würden's schon ausweisen. Und dann wieder die überlaute Fluch- und Gräuelrede des Franz, und dazwischen Geschrei welscher Soldaten, das Ruheheischen einiger alter Männer, Zeter und Wehklage der Weiber und bis zu den fernsten Gruppen hinüber der dumpfe Wiederhall einer empörten Menschenmenge, die von blinden Leidenschaften hin und her gerissen wurde.</p><lb/> <p>Der Gefangene gab sich verloren. Schon bedachte er, ob er nicht die Moidi wecken und dann seinen Stutzen von der Wand nehmen und sie und sich erschießen sollte, um sie vor Aergerem zu bewahren, da wurde es draußen auf einmal stiller, und er hörte ein vielfaches Beschwichtigen und Ruhegebieten, dem nur der Franz nicht gehorchte. Aber auch dessen Stimme verstummte plötzlich, und statt ihrer vernahm der Lauscher drinnen im Flur die sanfte aber feste Stimme der Tante Anna, die jetzt nur noch wenige Schritte von dem Hause entfernt sein konnte.</p><lb/> <p>Du solltest dich schämen, Franz, hörte er sie sagen, hier am heiligen Sonntag zu toben und zu fluchen und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0145]
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Der Gefangene gab sich verloren. Schon bedachte er, ob er nicht die Moidi wecken und dann seinen Stutzen von der Wand nehmen und sie und sich erschießen sollte, um sie vor Aergerem zu bewahren, da wurde es draußen auf einmal stiller, und er hörte ein vielfaches Beschwichtigen und Ruhegebieten, dem nur der Franz nicht gehorchte. Aber auch dessen Stimme verstummte plötzlich, und statt ihrer vernahm der Lauscher drinnen im Flur die sanfte aber feste Stimme der Tante Anna, die jetzt nur noch wenige Schritte von dem Hause entfernt sein konnte.
Du solltest dich schämen, Franz, hörte er sie sagen, hier am heiligen Sonntag zu toben und zu fluchen und
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/145>, abgerufen am 16.02.2025. |