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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Kann wohl sein, daß er Wind davon hat, wie er auf die Welt gekommen ist, und Lärm machen will, um sich aus der Klemme zu helfen. Ich sag' dir aber, über meine Schwelle darf er mir nicht, weder er noch seine Dirne. Unsere Familie soll nicht an die vierzig Jahre in Ehren bestanden haben, um über Nacht den Schimpf zu erfahren, daß solch ein lutherischer Findling sich bei uns eindrängt und des Joseph Hirzer eigene Schwester auf ihre alten Tage in der Leute Mäuler bringt. Wenn all dein Beten und Heiligsein zu weiter nichts gut gewesen wär', als dich nach zwanzig Jahren zum Kinderspott zu machen, so wollt' ich, du -- Er schluckte die Fluchrede hinunter, die er schon auf der Zunge hatte, denn sie sah ihm geradeaus und mit ernsthaftem, stolzem Blick in die Augen. -- Es ist schon gut, fuhr er in etwas gelinderem Tone fort, wir brauchen darüber nicht viel Redens zu machen, du weißt so gut wie ich, was Alles kommen wird, wenn du nicht Vernunft behältst. Ich lasse morgen früh anspannen und fahre mit dir nach Lana, erst in die Messe, hernach zu unserm Vetter, wo du so lange bleiben kannst, bis hier wieder reine Luft ist. Denn ich denke, es soll nicht lange hergehen. Ich will die Hand in die Tasche stecken und ihm ein Abstandsgeld anbieten lassen, wenn er sich verpflichtet, das Weite zu suchen und nimmer heimzukommen. Allenfalls könnte man ihm das Haus sammt den Gütern abkaufen und die Dirne in den

Kann wohl sein, daß er Wind davon hat, wie er auf die Welt gekommen ist, und Lärm machen will, um sich aus der Klemme zu helfen. Ich sag' dir aber, über meine Schwelle darf er mir nicht, weder er noch seine Dirne. Unsere Familie soll nicht an die vierzig Jahre in Ehren bestanden haben, um über Nacht den Schimpf zu erfahren, daß solch ein lutherischer Findling sich bei uns eindrängt und des Joseph Hirzer eigene Schwester auf ihre alten Tage in der Leute Mäuler bringt. Wenn all dein Beten und Heiligsein zu weiter nichts gut gewesen wär', als dich nach zwanzig Jahren zum Kinderspott zu machen, so wollt' ich, du — Er schluckte die Fluchrede hinunter, die er schon auf der Zunge hatte, denn sie sah ihm geradeaus und mit ernsthaftem, stolzem Blick in die Augen. — Es ist schon gut, fuhr er in etwas gelinderem Tone fort, wir brauchen darüber nicht viel Redens zu machen, du weißt so gut wie ich, was Alles kommen wird, wenn du nicht Vernunft behältst. Ich lasse morgen früh anspannen und fahre mit dir nach Lana, erst in die Messe, hernach zu unserm Vetter, wo du so lange bleiben kannst, bis hier wieder reine Luft ist. Denn ich denke, es soll nicht lange hergehen. Ich will die Hand in die Tasche stecken und ihm ein Abstandsgeld anbieten lassen, wenn er sich verpflichtet, das Weite zu suchen und nimmer heimzukommen. Allenfalls könnte man ihm das Haus sammt den Gütern abkaufen und die Dirne in den

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Kann wohl sein, daß er Wind     davon hat, wie er auf die Welt gekommen ist, und Lärm machen will, um sich aus der Klemme zu     helfen. Ich sag' dir aber, über meine Schwelle darf er mir nicht, weder er noch seine Dirne.     Unsere Familie soll nicht an die vierzig Jahre in Ehren bestanden haben, um über Nacht den     Schimpf zu erfahren, daß solch ein lutherischer Findling sich bei uns eindrängt und des Joseph     Hirzer eigene Schwester auf ihre alten Tage in der Leute Mäuler bringt. Wenn all dein Beten und     Heiligsein zu weiter nichts gut gewesen wär', als dich nach zwanzig Jahren zum Kinderspott zu     machen, so wollt' ich, du &#x2014; Er schluckte die Fluchrede hinunter, die er schon auf der Zunge     hatte, denn sie sah ihm geradeaus und mit ernsthaftem, stolzem Blick in die Augen. &#x2014; Es ist     schon gut, fuhr er in etwas gelinderem Tone fort, wir brauchen darüber nicht viel Redens zu     machen, du weißt so gut wie ich, was Alles kommen wird, wenn du nicht Vernunft behältst. Ich     lasse morgen früh anspannen und fahre mit dir nach Lana, erst in die Messe, hernach zu unserm     Vetter, wo du so lange bleiben kannst, bis hier wieder reine Luft ist. Denn ich denke, es soll     nicht lange hergehen. Ich will die Hand in die Tasche stecken und ihm ein Abstandsgeld anbieten     lassen, wenn er sich verpflichtet, das Weite zu suchen und nimmer heimzukommen. Allenfalls     könnte man ihm das Haus sammt den Gütern abkaufen und die Dirne in den<lb/></p>
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[0137] Kann wohl sein, daß er Wind davon hat, wie er auf die Welt gekommen ist, und Lärm machen will, um sich aus der Klemme zu helfen. Ich sag' dir aber, über meine Schwelle darf er mir nicht, weder er noch seine Dirne. Unsere Familie soll nicht an die vierzig Jahre in Ehren bestanden haben, um über Nacht den Schimpf zu erfahren, daß solch ein lutherischer Findling sich bei uns eindrängt und des Joseph Hirzer eigene Schwester auf ihre alten Tage in der Leute Mäuler bringt. Wenn all dein Beten und Heiligsein zu weiter nichts gut gewesen wär', als dich nach zwanzig Jahren zum Kinderspott zu machen, so wollt' ich, du — Er schluckte die Fluchrede hinunter, die er schon auf der Zunge hatte, denn sie sah ihm geradeaus und mit ernsthaftem, stolzem Blick in die Augen. — Es ist schon gut, fuhr er in etwas gelinderem Tone fort, wir brauchen darüber nicht viel Redens zu machen, du weißt so gut wie ich, was Alles kommen wird, wenn du nicht Vernunft behältst. Ich lasse morgen früh anspannen und fahre mit dir nach Lana, erst in die Messe, hernach zu unserm Vetter, wo du so lange bleiben kannst, bis hier wieder reine Luft ist. Denn ich denke, es soll nicht lange hergehen. Ich will die Hand in die Tasche stecken und ihm ein Abstandsgeld anbieten lassen, wenn er sich verpflichtet, das Weite zu suchen und nimmer heimzukommen. Allenfalls könnte man ihm das Haus sammt den Gütern abkaufen und die Dirne in den

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/137>, abgerufen am 22.11.2024.