Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.stieß mit dem Fuß an den Reisekoffer und sagte Sie richtete ihn auf und sagte: "Weine nicht so! "Und du glaubst auch, daß er es müsse?" "Nein, Clemens. Ich weiß nicht viel von der ſtieß mit dem Fuß an den Reiſekoffer und ſagte Sie richtete ihn auf und ſagte: „Weine nicht ſo! „Und du glaubſt auch, daß er es müſſe?“ „Nein, Clemens. Ich weiß nicht viel von der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0076" n="64"/> ſtieß mit dem Fuß an den Reiſekoffer und ſagte<lb/> ſchmerzlich: „Was willſt du thun, Clemens?“ Da<lb/> brach ihm ſein ſtarrer Schmerz. — Er ergriff ihre<lb/> Hände und drückte ſeine Augen dagegen, die in<lb/> Thränen ſtanden. „Ich <hi rendition="#g">muß</hi> es thun,“ rief er weich.<lb/> „Ich habe lange empfunden, daß ich ſeine Liebe ver¬<lb/> loren habe. Vielleicht fühlt er, wenn ich ihm fern<lb/> bin, daß ich nie aufgehört habe, ſein Kind zu ſein.“</p><lb/> <p>Sie richtete ihn auf und ſagte: „Weine nicht ſo!<lb/> ich habe ſonſt nicht die Kraft, dir das zu ſagen, was<lb/> ich dir ſagen muß. Deine Mutter würde es ſagen,<lb/> wenn der Vater ihr nicht wehrte. Ich hörte es ſei¬<lb/> ner Stimme an, wie ſchwer es ihm ankam, hart zu<lb/> ſein. Aber er wird hart bleiben, ich kenne ihn wohl.<lb/> Er glaubt, daß ſeine Strenge Gottesdienſt ſei, daß<lb/> er ſein eigen Herz zum Opfer bringen müſſe.“</p><lb/> <p>„Und du glaubſt auch, daß er es müſſe?“</p><lb/> <p>„Nein, Clemens. Ich weiß nicht viel von der<lb/> Welt und kenne die Geſetze der Meinung nicht, die<lb/> Ehrenmännern den Zweikampf gebieten. Aber dich<lb/> kenne ich genug, um zu wiſſen, daß der Leichtſinn<lb/> der Welt dir nichts anhaben konnte, daß du dein<lb/> Thun und Laſſen mit aller Strenge prüfſt, auch die¬<lb/> ſen Schritt. Du wirſt ihn der Welt ſchuldig ſein<lb/> und deiner Geliebten. Aber du biſt deinen Eltern<lb/> mehr ſchuldig, als Beiden. Ich kenne das Mädchen<lb/> nicht, das man dir beleidigt hat, und fühl' es wohl<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0076]
ſtieß mit dem Fuß an den Reiſekoffer und ſagte
ſchmerzlich: „Was willſt du thun, Clemens?“ Da
brach ihm ſein ſtarrer Schmerz. — Er ergriff ihre
Hände und drückte ſeine Augen dagegen, die in
Thränen ſtanden. „Ich muß es thun,“ rief er weich.
„Ich habe lange empfunden, daß ich ſeine Liebe ver¬
loren habe. Vielleicht fühlt er, wenn ich ihm fern
bin, daß ich nie aufgehört habe, ſein Kind zu ſein.“
Sie richtete ihn auf und ſagte: „Weine nicht ſo!
ich habe ſonſt nicht die Kraft, dir das zu ſagen, was
ich dir ſagen muß. Deine Mutter würde es ſagen,
wenn der Vater ihr nicht wehrte. Ich hörte es ſei¬
ner Stimme an, wie ſchwer es ihm ankam, hart zu
ſein. Aber er wird hart bleiben, ich kenne ihn wohl.
Er glaubt, daß ſeine Strenge Gottesdienſt ſei, daß
er ſein eigen Herz zum Opfer bringen müſſe.“
„Und du glaubſt auch, daß er es müſſe?“
„Nein, Clemens. Ich weiß nicht viel von der
Welt und kenne die Geſetze der Meinung nicht, die
Ehrenmännern den Zweikampf gebieten. Aber dich
kenne ich genug, um zu wiſſen, daß der Leichtſinn
der Welt dir nichts anhaben konnte, daß du dein
Thun und Laſſen mit aller Strenge prüfſt, auch die¬
ſen Schritt. Du wirſt ihn der Welt ſchuldig ſein
und deiner Geliebten. Aber du biſt deinen Eltern
mehr ſchuldig, als Beiden. Ich kenne das Mädchen
nicht, das man dir beleidigt hat, und fühl' es wohl
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