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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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an seinen Bruder gelegt hat. Ich verbiete dir den
Kampf kraft meiner väterlichen und priesterlichen
Gewalt. Hüte dich, ihr zu trotzen!"

"So stößest du mich aus deinem Hause," sagte
Clemens düster. Eine Pause trat ein. Die Mutter,
die in Thränen ausgebrochen war, stand auf und
stürzte zu ihrem Sohn. "Mutter," sagte er ernst,
"ich bin ein Mann, ich darf mir nicht untreu wer¬
den!" Er näherte sich der Thür und blickte nach
Marlenen hinüber, die ihn mit den blinden Augen
schmerzlich suchte. Die Mutter folgte ihm, sie konnte
vor Schluchzen nicht sprechen. "Halt ihn nicht auf,
Frau!" rief der alte Mann. "Er ist unser Kind
nicht, wenn er Gottes Kind nicht sein will. Laß
ihn gehn, wohin er will. Er ist todt für uns!"

Marlene hörte die Thür gehen und die Pfarrerin
mit einem Schrei des tiefsten Mutterherzens zu Bo¬
den stürzen. Da wich die Lähmung von ihr, in der
sie bisher gesessen hatte. Sie stand auf, ging zur
Thür und trug mit gewaltsamer Anstrengung die
ohnmächtige Frau auf ihr Bett. Der Alte stand am
Fenster und sprach kein Wort. Seine gefalteten Hände
zitterten heftig.

Eine Viertelstunde später klopft' es oben an der
Thür von Clemens Kammer. Der junge Mann öff¬
nete und sah Marlenen vor sich stehen. Sie trat
still hinein. Die Kammer war voll Unordnung. Sie

an ſeinen Bruder gelegt hat. Ich verbiete dir den
Kampf kraft meiner väterlichen und prieſterlichen
Gewalt. Hüte dich, ihr zu trotzen!“

„So ſtößeſt du mich aus deinem Hauſe,“ ſagte
Clemens düſter. Eine Pauſe trat ein. Die Mutter,
die in Thränen ausgebrochen war, ſtand auf und
ſtürzte zu ihrem Sohn. „Mutter,“ ſagte er ernſt,
„ich bin ein Mann, ich darf mir nicht untreu wer¬
den!“ Er näherte ſich der Thür und blickte nach
Marlenen hinüber, die ihn mit den blinden Augen
ſchmerzlich ſuchte. Die Mutter folgte ihm, ſie konnte
vor Schluchzen nicht ſprechen. „Halt ihn nicht auf,
Frau!“ rief der alte Mann. „Er iſt unſer Kind
nicht, wenn er Gottes Kind nicht ſein will. Laß
ihn gehn, wohin er will. Er iſt todt für uns!“

Marlene hörte die Thür gehen und die Pfarrerin
mit einem Schrei des tiefſten Mutterherzens zu Bo¬
den ſtürzen. Da wich die Lähmung von ihr, in der
ſie bisher geſeſſen hatte. Sie ſtand auf, ging zur
Thür und trug mit gewaltſamer Anſtrengung die
ohnmächtige Frau auf ihr Bett. Der Alte ſtand am
Fenſter und ſprach kein Wort. Seine gefalteten Hände
zitterten heftig.

Eine Viertelſtunde ſpäter klopft' es oben an der
Thür von Clemens Kammer. Der junge Mann öff¬
nete und ſah Marlenen vor ſich ſtehen. Sie trat
ſtill hinein. Die Kammer war voll Unordnung. Sie

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[63/0075] an ſeinen Bruder gelegt hat. Ich verbiete dir den Kampf kraft meiner väterlichen und prieſterlichen Gewalt. Hüte dich, ihr zu trotzen!“ „So ſtößeſt du mich aus deinem Hauſe,“ ſagte Clemens düſter. Eine Pauſe trat ein. Die Mutter, die in Thränen ausgebrochen war, ſtand auf und ſtürzte zu ihrem Sohn. „Mutter,“ ſagte er ernſt, „ich bin ein Mann, ich darf mir nicht untreu wer¬ den!“ Er näherte ſich der Thür und blickte nach Marlenen hinüber, die ihn mit den blinden Augen ſchmerzlich ſuchte. Die Mutter folgte ihm, ſie konnte vor Schluchzen nicht ſprechen. „Halt ihn nicht auf, Frau!“ rief der alte Mann. „Er iſt unſer Kind nicht, wenn er Gottes Kind nicht ſein will. Laß ihn gehn, wohin er will. Er iſt todt für uns!“ Marlene hörte die Thür gehen und die Pfarrerin mit einem Schrei des tiefſten Mutterherzens zu Bo¬ den ſtürzen. Da wich die Lähmung von ihr, in der ſie bisher geſeſſen hatte. Sie ſtand auf, ging zur Thür und trug mit gewaltſamer Anſtrengung die ohnmächtige Frau auf ihr Bett. Der Alte ſtand am Fenſter und ſprach kein Wort. Seine gefalteten Hände zitterten heftig. Eine Viertelſtunde ſpäter klopft' es oben an der Thür von Clemens Kammer. Der junge Mann öff¬ nete und ſah Marlenen vor ſich ſtehen. Sie trat ſtill hinein. Die Kammer war voll Unordnung. Sie

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/75>, abgerufen am 23.11.2024.