Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.lene saßen und hatten eine Arbeit auf dem Schoß "Was hast du mit deinem Freunde gehabt? Er "Wir hatten einen Wortwechsel. Es ist mir lieb, "Um was entzweitet ihr euch?" "Ich kann es dir nicht sagen, Vater. Ich hätt' Der Pfarrer sah den Sohn an und sagte mit lei¬ "Wie es Sitte ist unter jungen Leuten," erwie¬ "Weißt du, wie es unter Christen Sitte ist, "Ich weiß es, aber ich kann nicht so handeln. lene ſaßen und hatten eine Arbeit auf dem Schoß „Was haſt du mit deinem Freunde gehabt? Er „Wir hatten einen Wortwechſel. Es iſt mir lieb, „Um was entzweitet ihr euch?“ „Ich kann es dir nicht ſagen, Vater. Ich hätt' Der Pfarrer ſah den Sohn an und ſagte mit lei¬ „Wie es Sitte iſt unter jungen Leuten,“ erwie¬ „Weißt du, wie es unter Chriſten Sitte iſt, „Ich weiß es, aber ich kann nicht ſo handeln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0073" n="61"/> lene ſaßen und hatten eine Arbeit auf dem Schoß<lb/> gegen die Sitte des Hauſes zu ſo ſpäter Zeit. Als<lb/> Clemens ins Zimmer trat, ſtand der Pfarrer ſtill<lb/> und wandte das Haupt ernſt nach ihm um.</p><lb/> <p>„Was haſt du mit deinem Freunde gehabt? Er<lb/> iſt auf und davon, da wir über Feld waren, und<lb/> hat nur einen kurzen Gruß hinterlaſſen. Als wir nach<lb/> Hauſe kamen, fanden wir einen Boten, der ſeine Sa¬<lb/> chen abholte. Habt ihr euch verfeindet? Denn warum<lb/> ſollte er ſonſt ſo übereilt unſer Haus verlaſſen?“</p><lb/> <p>„Wir hatten einen Wortwechſel. Es iſt mir lieb,<lb/> daß ich ihn nicht mehr unter dieſem Dache finde.“</p><lb/> <p>„Um was entzweitet ihr euch?“</p><lb/> <p>„Ich kann es dir nicht ſagen, Vater. Ich hätt'<lb/> es gerne vermieden. Aber es gibt Dinge, die ein<lb/> rechtſchaffener Menſch nicht mit anhören darf. Ich<lb/> kannte ihn lange, daß er roh iſt und weder ſich noch<lb/> irgend wen ſchont. So wie heut, ſah ich ihn nie.“</p><lb/> <p>Der Pfarrer ſah den Sohn an und ſagte mit lei¬<lb/> ſerer Stimme: „Wie werdet ihr's ausmachen?“</p><lb/> <p>„Wie es Sitte iſt unter jungen Leuten,“ erwie¬<lb/> derte Clemens ernſt.</p><lb/> <p>„Weißt du, wie es unter <hi rendition="#g">Chriſten</hi> Sitte iſt,<lb/> Beleidigungen auszugleichen?“</p><lb/> <p>„Ich weiß es, aber ich kann nicht ſo handeln.<lb/> Wenn er <hi rendition="#g">mich</hi> beleidigt hätte, ſo könnt' ich ihm ver¬<lb/> geben, und ihm die Züchtigung ſchenken. Aber er<lb/> hat ein Weſen beleidigt, das mir ſehr nahe ſteht!“<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0073]
lene ſaßen und hatten eine Arbeit auf dem Schoß
gegen die Sitte des Hauſes zu ſo ſpäter Zeit. Als
Clemens ins Zimmer trat, ſtand der Pfarrer ſtill
und wandte das Haupt ernſt nach ihm um.
„Was haſt du mit deinem Freunde gehabt? Er
iſt auf und davon, da wir über Feld waren, und
hat nur einen kurzen Gruß hinterlaſſen. Als wir nach
Hauſe kamen, fanden wir einen Boten, der ſeine Sa¬
chen abholte. Habt ihr euch verfeindet? Denn warum
ſollte er ſonſt ſo übereilt unſer Haus verlaſſen?“
„Wir hatten einen Wortwechſel. Es iſt mir lieb,
daß ich ihn nicht mehr unter dieſem Dache finde.“
„Um was entzweitet ihr euch?“
„Ich kann es dir nicht ſagen, Vater. Ich hätt'
es gerne vermieden. Aber es gibt Dinge, die ein
rechtſchaffener Menſch nicht mit anhören darf. Ich
kannte ihn lange, daß er roh iſt und weder ſich noch
irgend wen ſchont. So wie heut, ſah ich ihn nie.“
Der Pfarrer ſah den Sohn an und ſagte mit lei¬
ſerer Stimme: „Wie werdet ihr's ausmachen?“
„Wie es Sitte iſt unter jungen Leuten,“ erwie¬
derte Clemens ernſt.
„Weißt du, wie es unter Chriſten Sitte iſt,
Beleidigungen auszugleichen?“
„Ich weiß es, aber ich kann nicht ſo handeln.
Wenn er mich beleidigt hätte, ſo könnt' ich ihm ver¬
geben, und ihm die Züchtigung ſchenken. Aber er
hat ein Weſen beleidigt, das mir ſehr nahe ſteht!“
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