Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen ihre Freunde die Umwandlung, die mit ihr vorge¬ gangen war. Die Pfarrerin konnte sich's nicht an¬ ders denken, als daß Marlenen durch die Wand ihr Gespräch zugekommen sei. "Um so besser," sagte der Pfarrer; "so hab' ich ihr nichts mehr zu sagen."
Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬ chen Clemens und den Eltern begegnete. Sie wollte nichts mehr, als zu ihnen gehören dürfen. Was ihr Liebes geschah, nahm sie fast bestürzt wie ein Un¬ verdientes an. Sie sprach noch immer nicht viel; aber was sie sprach, war heiter und belebt. Ihr ganzes Wesen erschien hingegeben und weich, als wolle sie stumm Abbitte thun. Sie nahm wieder Clemens Arm, wenn sie wanderten. Aber oft bat sie, daß sie ein wenig ruhen dürfe. Nicht weil sie müde war, sondern um dem Knaben die Freiheit zu lassen, her¬ umzusteigen, wohin es ihn lockte. Sie lächelte dann, wenn er zurückkam und ihr erzählte. Ihre alte Ei¬
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Fünftes Capitel.
Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen ihre Freunde die Umwandlung, die mit ihr vorge¬ gangen war. Die Pfarrerin konnte ſich's nicht an¬ ders denken, als daß Marlenen durch die Wand ihr Geſpräch zugekommen ſei. „Um ſo beſſer,“ ſagte der Pfarrer; „ſo hab' ich ihr nichts mehr zu ſagen.“
Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬ chen Clemens und den Eltern begegnete. Sie wollte nichts mehr, als zu ihnen gehören dürfen. Was ihr Liebes geſchah, nahm ſie faſt beſtürzt wie ein Un¬ verdientes an. Sie ſprach noch immer nicht viel; aber was ſie ſprach, war heiter und belebt. Ihr ganzes Weſen erſchien hingegeben und weich, als wolle ſie ſtumm Abbitte thun. Sie nahm wieder Clemens Arm, wenn ſie wanderten. Aber oft bat ſie, daß ſie ein wenig ruhen dürfe. Nicht weil ſie müde war, ſondern um dem Knaben die Freiheit zu laſſen, her¬ umzuſteigen, wohin es ihn lockte. Sie lächelte dann, wenn er zurückkam und ihr erzählte. Ihre alte Ei¬
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Fünftes Capitel.
Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen
ihre Freunde die Umwandlung, die mit ihr vorge¬
gangen war. Die Pfarrerin konnte ſich's nicht an¬
ders denken, als daß Marlenen durch die Wand ihr
Geſpräch zugekommen ſei. „Um ſo beſſer,“ ſagte der
Pfarrer; „ſo hab' ich ihr nichts mehr zu ſagen.“
Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬
chen Clemens und den Eltern begegnete. Sie wollte
nichts mehr, als zu ihnen gehören dürfen. Was
ihr Liebes geſchah, nahm ſie faſt beſtürzt wie ein Un¬
verdientes an. Sie ſprach noch immer nicht viel;
aber was ſie ſprach, war heiter und belebt. Ihr
ganzes Weſen erſchien hingegeben und weich, als wolle
ſie ſtumm Abbitte thun. Sie nahm wieder Clemens
Arm, wenn ſie wanderten. Aber oft bat ſie, daß ſie
ein wenig ruhen dürfe. Nicht weil ſie müde war,
ſondern um dem Knaben die Freiheit zu laſſen, her¬
umzuſteigen, wohin es ihn lockte. Sie lächelte dann,
wenn er zurückkam und ihr erzählte. Ihre alte Ei¬
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/47>, abgerufen am 03.03.2025.
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