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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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den ersten Worten Bianchi's vor das Relief getreten
und stand sprachlos. Mariens Auge hing nur kurze
Zeit an dem Bilde des Bruders, dann flog es zu
Caterina. Sie erkannte sie wohl. Während die El¬
tern in tiefster Rührung an einander lehnend sich
vom Bilde nicht trennen konnten, trat sie nahe zu
Theodor. Sie faßte seine Hand, sie sprach leise zu
ihm, die Augen flossen ihr über. Sie tauschten Ge¬
ständnisse, Selbstanklagen, Gelübde, Jedes dem An¬
dern zuvorkommend, Jedes das Andere an unbegrenz¬
ter Hingebung überbietend. Keiner belauschte sie.
Denn auch Bianchi, obwohl er nicht sprach, vergaß
Alles über den Augen seines Weibes.

Endlich ging Mariens Vater auf ihn zu und
drückte ihm die Hand. Seine Augen waren feucht;
die Mutter weinte still in ihr Tuch. Ihr wisset ge¬
nug, sagte der alte Herr; Ihr erlaßt uns zu sprechen.
Eins nur: Wann beginnt Ihr die Ausführung? Ich
habe meinen Plan geändert. Ich wünsche nur einen
Stein auf das Grab meines Sohnes, der die einfache
Inschrift trägt. Dieses Bild wüßt' ich gern in dem
Zimmer, das er bewohnte, an der Stelle, wo sein
Bette stand. Wir können den Ort nicht besser ein¬
weihen. Aber ich kann den Tag nicht erwarten, wo
es unser wird. Ihr werdet am besten selbst für den
Marmor sorgen. Verschiebt es nicht einen Tag!

den erſten Worten Bianchi's vor das Relief getreten
und ſtand ſprachlos. Mariens Auge hing nur kurze
Zeit an dem Bilde des Bruders, dann flog es zu
Caterina. Sie erkannte ſie wohl. Während die El¬
tern in tiefſter Rührung an einander lehnend ſich
vom Bilde nicht trennen konnten, trat ſie nahe zu
Theodor. Sie faßte ſeine Hand, ſie ſprach leiſe zu
ihm, die Augen floſſen ihr über. Sie tauſchten Ge¬
ſtändniſſe, Selbſtanklagen, Gelübde, Jedes dem An¬
dern zuvorkommend, Jedes das Andere an unbegrenz¬
ter Hingebung überbietend. Keiner belauſchte ſie.
Denn auch Bianchi, obwohl er nicht ſprach, vergaß
Alles über den Augen ſeines Weibes.

Endlich ging Mariens Vater auf ihn zu und
drückte ihm die Hand. Seine Augen waren feucht;
die Mutter weinte ſtill in ihr Tuch. Ihr wiſſet ge¬
nug, ſagte der alte Herr; Ihr erlaßt uns zu ſprechen.
Eins nur: Wann beginnt Ihr die Ausführung? Ich
habe meinen Plan geändert. Ich wünſche nur einen
Stein auf das Grab meines Sohnes, der die einfache
Inſchrift trägt. Dieſes Bild wüßt' ich gern in dem
Zimmer, das er bewohnte, an der Stelle, wo ſein
Bette ſtand. Wir können den Ort nicht beſſer ein¬
weihen. Aber ich kann den Tag nicht erwarten, wo
es unſer wird. Ihr werdet am beſten ſelbſt für den
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[219/0231] den erſten Worten Bianchi's vor das Relief getreten und ſtand ſprachlos. Mariens Auge hing nur kurze Zeit an dem Bilde des Bruders, dann flog es zu Caterina. Sie erkannte ſie wohl. Während die El¬ tern in tiefſter Rührung an einander lehnend ſich vom Bilde nicht trennen konnten, trat ſie nahe zu Theodor. Sie faßte ſeine Hand, ſie ſprach leiſe zu ihm, die Augen floſſen ihr über. Sie tauſchten Ge¬ ſtändniſſe, Selbſtanklagen, Gelübde, Jedes dem An¬ dern zuvorkommend, Jedes das Andere an unbegrenz¬ ter Hingebung überbietend. Keiner belauſchte ſie. Denn auch Bianchi, obwohl er nicht ſprach, vergaß Alles über den Augen ſeines Weibes. Endlich ging Mariens Vater auf ihn zu und drückte ihm die Hand. Seine Augen waren feucht; die Mutter weinte ſtill in ihr Tuch. Ihr wiſſet ge¬ nug, ſagte der alte Herr; Ihr erlaßt uns zu ſprechen. Eins nur: Wann beginnt Ihr die Ausführung? Ich habe meinen Plan geändert. Ich wünſche nur einen Stein auf das Grab meines Sohnes, der die einfache Inſchrift trägt. Dieſes Bild wüßt' ich gern in dem Zimmer, das er bewohnte, an der Stelle, wo ſein Bette ſtand. Wir können den Ort nicht beſſer ein¬ weihen. Aber ich kann den Tag nicht erwarten, wo es unſer wird. Ihr werdet am beſten ſelbſt für den Marmor ſorgen. Verſchiebt es nicht einen Tag!

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/231>, abgerufen am 24.11.2024.