Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Es sollte nicht sein, sagte er vor sich hin, als er Dann dacht' er an Bianchi. Schade! sagte er. So kam er in seine Wohnung. Er zündete Licht Es ſollte nicht ſein, ſagte er vor ſich hin, als er Dann dacht' er an Bianchi. Schade! ſagte er. So kam er in ſeine Wohnung. Er zündete Licht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0219" n="207"/> <p>Es ſollte nicht ſein, ſagte er vor ſich hin, als er<lb/> auf der Gaſſe war. Sie hat Recht; wir wären uns<lb/> immer fremd geblieben. Ich hielt meine fruchtloſen<lb/> Mühen, mich immer wieder von neuem ihr aufzudrän¬<lb/> gen, für Zug und Beſtimmung. Kein Wunder, daß<lb/> ſie es endlich müde wird. Aber es war grauſam, daß<lb/> es gerade heut ſo kommen mußte, da ich eben mich<lb/> ſo ſchön getäuſcht, ſo ſelig belogen hatte und hoff¬<lb/> nungsvoller war als je. Es war grauſam und heil¬<lb/> ſam! Ich bin nun für immer von dieſem gutmü¬<lb/> thigen vermeſſnen Selbſtbetrug geheilt.</p><lb/> <p>Dann dacht' er an Bianchi. Schade! ſagte er.<lb/> Dem hätt' ich's ſparen ſollen. Er wird wieder was<lb/> in die Tiber zu werfen haben. Nein, er ſoll nicht;<lb/> ich will dieſe Tafel beſitzen, mich in Zukunft zu war¬<lb/> nen, wenn ich Menſchen vertraue.</p><lb/> <p>So kam er in ſeine Wohnung. Er zündete Licht<lb/> an und ſetzte ſich zu ſchreiben. Er fing einen Brief<lb/> an Marien an, ruhig und ſanft; nach den erſten<lb/> Zeilen ward er der Lüge inne, denn es kochte und<lb/> zürnte und ſehnte in ihm, daß er die Feder am Tiſch<lb/> zerſtieß und aufſprang. Er wußte nicht wohin. End¬<lb/> lich ging er wieder ins Freie, den Weg nach Bian¬<lb/> chi's Hauſe. Wollte er ihn aufſuchen, ihm Alles ſa¬<lb/> gen, ihm Alles verſchweigen, nur wieder in ſeiner<lb/> Nähe nach Entſchluß und Faſſung ringen? Er wußte<lb/> es nicht klar; aber er ertrug ſich nicht in der Ein¬<lb/> ſamkeit.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [207/0219]
Es ſollte nicht ſein, ſagte er vor ſich hin, als er
auf der Gaſſe war. Sie hat Recht; wir wären uns
immer fremd geblieben. Ich hielt meine fruchtloſen
Mühen, mich immer wieder von neuem ihr aufzudrän¬
gen, für Zug und Beſtimmung. Kein Wunder, daß
ſie es endlich müde wird. Aber es war grauſam, daß
es gerade heut ſo kommen mußte, da ich eben mich
ſo ſchön getäuſcht, ſo ſelig belogen hatte und hoff¬
nungsvoller war als je. Es war grauſam und heil¬
ſam! Ich bin nun für immer von dieſem gutmü¬
thigen vermeſſnen Selbſtbetrug geheilt.
Dann dacht' er an Bianchi. Schade! ſagte er.
Dem hätt' ich's ſparen ſollen. Er wird wieder was
in die Tiber zu werfen haben. Nein, er ſoll nicht;
ich will dieſe Tafel beſitzen, mich in Zukunft zu war¬
nen, wenn ich Menſchen vertraue.
So kam er in ſeine Wohnung. Er zündete Licht
an und ſetzte ſich zu ſchreiben. Er fing einen Brief
an Marien an, ruhig und ſanft; nach den erſten
Zeilen ward er der Lüge inne, denn es kochte und
zürnte und ſehnte in ihm, daß er die Feder am Tiſch
zerſtieß und aufſprang. Er wußte nicht wohin. End¬
lich ging er wieder ins Freie, den Weg nach Bian¬
chi's Hauſe. Wollte er ihn aufſuchen, ihm Alles ſa¬
gen, ihm Alles verſchweigen, nur wieder in ſeiner
Nähe nach Entſchluß und Faſſung ringen? Er wußte
es nicht klar; aber er ertrug ſich nicht in der Ein¬
ſamkeit.
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