stelle, ihm ins Gewissen zu reden. Eine solche Fa¬ milie! der Schimpf wäre zu groß und das Unglück, wenn sie einen leichtsinnigen Menschen in ihren Kreis aufnähme. Habt Ihr denn nie etwas von einer alten römischen Liebschaft gehört, die er Euretwegen abge¬ schafft hätte?
Nein, sagte das Mädchen leise. Wie hätte sie's über die Lippen bringen können, daß ihr die Be¬ schreibung der dienstbeflissenen Zuträgerin ein Bild wieder lebendig machte, das ihr früher schon einmal einen nachdenklichen Tag gekostet hatte! Am Tage darauf, nachdem Theodor ihr von dem Tanz in der Schenke erzählt hatte, war sie an seinem Arm durch die Stadt gegangen. Aus einem niedrigen Fenster sah ein schönes Gesicht, auf das sie ihren Freund aufmerksam machte. Er hatte eine starke Bewegung nicht unterdrücken können, und auch das Mädchen schien ihn zu erkennen. Es ist die Albaneserin von gestern Abend, hatte er gesagt, und dann rasch von andern Dingen gesprochen. Ihr aber war das Ge¬ sicht Zug für Zug im Gedächtniß geblieben.
Laßt es jetzt gut sein, redete ihr Miß Betsy zu und strich ihr mit der Hand über die Locken. Grämt Euch nicht, Liebe! Die Menschen und zumal die Männer sind keine Engel. Mein Gott, wer erlebte dergleichen nicht! Und sprecht mit ihm, so wird noch Alles in Ordnung kommen. Gute Nacht, Kind!
ſtelle, ihm ins Gewiſſen zu reden. Eine ſolche Fa¬ milie! der Schimpf wäre zu groß und das Unglück, wenn ſie einen leichtſinnigen Menſchen in ihren Kreis aufnähme. Habt Ihr denn nie etwas von einer alten römiſchen Liebſchaft gehört, die er Euretwegen abge¬ ſchafft hätte?
Nein, ſagte das Mädchen leiſe. Wie hätte ſie's über die Lippen bringen können, daß ihr die Be¬ ſchreibung der dienſtbefliſſenen Zuträgerin ein Bild wieder lebendig machte, das ihr früher ſchon einmal einen nachdenklichen Tag gekoſtet hatte! Am Tage darauf, nachdem Theodor ihr von dem Tanz in der Schenke erzählt hatte, war ſie an ſeinem Arm durch die Stadt gegangen. Aus einem niedrigen Fenſter ſah ein ſchönes Geſicht, auf das ſie ihren Freund aufmerkſam machte. Er hatte eine ſtarke Bewegung nicht unterdrücken können, und auch das Mädchen ſchien ihn zu erkennen. Es iſt die Albaneſerin von geſtern Abend, hatte er geſagt, und dann raſch von andern Dingen geſprochen. Ihr aber war das Ge¬ ſicht Zug für Zug im Gedächtniß geblieben.
Laßt es jetzt gut ſein, redete ihr Miß Betſy zu und ſtrich ihr mit der Hand über die Locken. Grämt Euch nicht, Liebe! Die Menſchen und zumal die Männer ſind keine Engel. Mein Gott, wer erlebte dergleichen nicht! Und ſprecht mit ihm, ſo wird noch Alles in Ordnung kommen. Gute Nacht, Kind!
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ſtelle, ihm ins Gewiſſen zu reden. Eine ſolche Fa¬
milie! der Schimpf wäre zu groß und das Unglück,
wenn ſie einen leichtſinnigen Menſchen in ihren Kreis
aufnähme. Habt Ihr denn nie etwas von einer alten
römiſchen Liebſchaft gehört, die er Euretwegen abge¬
ſchafft hätte?
Nein, ſagte das Mädchen leiſe. Wie hätte ſie's
über die Lippen bringen können, daß ihr die Be¬
ſchreibung der dienſtbefliſſenen Zuträgerin ein Bild
wieder lebendig machte, das ihr früher ſchon einmal
einen nachdenklichen Tag gekoſtet hatte! Am Tage
darauf, nachdem Theodor ihr von dem Tanz in der
Schenke erzählt hatte, war ſie an ſeinem Arm durch
die Stadt gegangen. Aus einem niedrigen Fenſter
ſah ein ſchönes Geſicht, auf das ſie ihren Freund
aufmerkſam machte. Er hatte eine ſtarke Bewegung
nicht unterdrücken können, und auch das Mädchen
ſchien ihn zu erkennen. Es iſt die Albaneſerin von
geſtern Abend, hatte er geſagt, und dann raſch von
andern Dingen geſprochen. Ihr aber war das Ge¬
ſicht Zug für Zug im Gedächtniß geblieben.
Laßt es jetzt gut ſein, redete ihr Miß Betſy zu
und ſtrich ihr mit der Hand über die Locken. Grämt
Euch nicht, Liebe! Die Menſchen und zumal die
Männer ſind keine Engel. Mein Gott, wer erlebte
dergleichen nicht! Und ſprecht mit ihm, ſo wird noch
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/213>, abgerufen am 25.07.2024.
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