recht anfängt. Schändlich ist es und bleibt es, und -- süßes Herz -- so gern ich wollte, ich kann nichts von Allem zurücknehmen, was ich im ersten Zorn gegen ihn gesagt habe. Indessen, unser Herrgott hat schon andere Sünder erleuchtet. Wenn er nur mehr Religion hätte! Ihr müßt mir zugeben, daß ich ihm das schon oft vorgeworfen habe, und nun seh' ich, wie sehr ich Recht hatte. Schande über ihn, daß er Euch so wenig ehrt, Kind, Schande fürwahr! Ich sah mich um; zum Glück saßen in unsrer Nähe keine Bekannte von Euch, denn die Meisten von der guten Gesellschaft, wenn sie nicht das Volk studiren wollen, gehen nicht auf diesen Platz, sondern in die getrenn¬ ten Logen. Aber mir hat er das ganze Schauspiel verdorben, das vergess' ich ihm nicht, Dear me, wenn Ihr mit mir gewesen wärt, Ihr wäret gestorben auf der Stelle. Meint Ihr, daß er Ein Auge von ihr gelassen? Und sie schienen sich zu kennen, eine alte Passion; und das wäre noch zu seiner Entschuldi¬ gung. Denn er wird genug Mädchen schön gefunden haben, ehe er Euch kennen lernte. Aber man achtet doch auf sich, zumal öffentlich, und thut als kenne man sich nicht wieder. Nun nun, Kind, wenn Ihr mit ihm redet, ernsthaft und ein für alle Mal, so wird er in sich gehn. Aber wenn Ihr es nicht thut -- so gern ich es Euch ersparte -- meine Grundsätze verlangen dann, daß ich es Euern Eltern anheim¬
recht anfängt. Schändlich iſt es und bleibt es, und — ſüßes Herz — ſo gern ich wollte, ich kann nichts von Allem zurücknehmen, was ich im erſten Zorn gegen ihn geſagt habe. Indeſſen, unſer Herrgott hat ſchon andere Sünder erleuchtet. Wenn er nur mehr Religion hätte! Ihr müßt mir zugeben, daß ich ihm das ſchon oft vorgeworfen habe, und nun ſeh' ich, wie ſehr ich Recht hatte. Schande über ihn, daß er Euch ſo wenig ehrt, Kind, Schande fürwahr! Ich ſah mich um; zum Glück ſaßen in unſrer Nähe keine Bekannte von Euch, denn die Meiſten von der guten Geſellſchaft, wenn ſie nicht das Volk ſtudiren wollen, gehen nicht auf dieſen Platz, ſondern in die getrenn¬ ten Logen. Aber mir hat er das ganze Schauſpiel verdorben, das vergeſſ' ich ihm nicht, Dear me, wenn Ihr mit mir geweſen wärt, Ihr wäret geſtorben auf der Stelle. Meint Ihr, daß er Ein Auge von ihr gelaſſen? Und ſie ſchienen ſich zu kennen, eine alte Paſſion; und das wäre noch zu ſeiner Entſchuldi¬ gung. Denn er wird genug Mädchen ſchön gefunden haben, ehe er Euch kennen lernte. Aber man achtet doch auf ſich, zumal öffentlich, und thut als kenne man ſich nicht wieder. Nun nun, Kind, wenn Ihr mit ihm redet, ernſthaft und ein für alle Mal, ſo wird er in ſich gehn. Aber wenn Ihr es nicht thut — ſo gern ich es Euch erſparte — meine Grundſätze verlangen dann, daß ich es Euern Eltern anheim¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0212"n="200"/>
recht anfängt. Schändlich iſt es und bleibt es, und<lb/>—ſüßes Herz —ſo gern ich wollte, ich kann nichts<lb/>
von Allem zurücknehmen, was ich im erſten Zorn<lb/>
gegen ihn geſagt habe. Indeſſen, unſer Herrgott hat<lb/>ſchon andere Sünder erleuchtet. Wenn er nur mehr<lb/>
Religion hätte! Ihr müßt mir zugeben, daß ich ihm<lb/>
das ſchon oft vorgeworfen habe, und nun ſeh' ich,<lb/>
wie ſehr ich Recht hatte. Schande über ihn, daß er<lb/>
Euch ſo wenig ehrt, Kind, Schande fürwahr! Ich<lb/>ſah mich um; zum Glück ſaßen in unſrer Nähe keine<lb/>
Bekannte von Euch, denn die Meiſten von der guten<lb/>
Geſellſchaft, wenn ſie nicht das Volk ſtudiren wollen,<lb/>
gehen nicht auf dieſen Platz, ſondern in die getrenn¬<lb/>
ten Logen. Aber mir hat er das ganze Schauſpiel<lb/>
verdorben, das vergeſſ' ich ihm nicht, <hirendition="#aq">Dear me,</hi> wenn<lb/>
Ihr mit mir geweſen wärt, Ihr wäret geſtorben auf<lb/>
der Stelle. Meint Ihr, daß er Ein Auge von ihr<lb/>
gelaſſen? Und ſie ſchienen ſich zu kennen, eine alte<lb/>
Paſſion; und das wäre noch zu ſeiner Entſchuldi¬<lb/>
gung. Denn er wird genug Mädchen ſchön gefunden<lb/>
haben, ehe er Euch kennen lernte. Aber man achtet<lb/>
doch auf ſich, zumal öffentlich, und thut als kenne<lb/>
man ſich nicht wieder. Nun nun, Kind, wenn Ihr<lb/>
mit ihm redet, ernſthaft und ein für alle Mal, ſo<lb/>
wird er in ſich gehn. Aber wenn <hirendition="#g">Ihr</hi> es nicht thut<lb/>—ſo gern ich es Euch erſparte — meine Grundſätze<lb/>
verlangen dann, daß ich es Euern Eltern anheim¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[200/0212]
recht anfängt. Schändlich iſt es und bleibt es, und
— ſüßes Herz — ſo gern ich wollte, ich kann nichts
von Allem zurücknehmen, was ich im erſten Zorn
gegen ihn geſagt habe. Indeſſen, unſer Herrgott hat
ſchon andere Sünder erleuchtet. Wenn er nur mehr
Religion hätte! Ihr müßt mir zugeben, daß ich ihm
das ſchon oft vorgeworfen habe, und nun ſeh' ich,
wie ſehr ich Recht hatte. Schande über ihn, daß er
Euch ſo wenig ehrt, Kind, Schande fürwahr! Ich
ſah mich um; zum Glück ſaßen in unſrer Nähe keine
Bekannte von Euch, denn die Meiſten von der guten
Geſellſchaft, wenn ſie nicht das Volk ſtudiren wollen,
gehen nicht auf dieſen Platz, ſondern in die getrenn¬
ten Logen. Aber mir hat er das ganze Schauſpiel
verdorben, das vergeſſ' ich ihm nicht, Dear me, wenn
Ihr mit mir geweſen wärt, Ihr wäret geſtorben auf
der Stelle. Meint Ihr, daß er Ein Auge von ihr
gelaſſen? Und ſie ſchienen ſich zu kennen, eine alte
Paſſion; und das wäre noch zu ſeiner Entſchuldi¬
gung. Denn er wird genug Mädchen ſchön gefunden
haben, ehe er Euch kennen lernte. Aber man achtet
doch auf ſich, zumal öffentlich, und thut als kenne
man ſich nicht wieder. Nun nun, Kind, wenn Ihr
mit ihm redet, ernſthaft und ein für alle Mal, ſo
wird er in ſich gehn. Aber wenn Ihr es nicht thut
— ſo gern ich es Euch erſparte — meine Grundſätze
verlangen dann, daß ich es Euern Eltern anheim¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/212>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.