Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.zurüsten; denn man wollte die Kinder an dem Tage Als die beiden Väter vor ihren einander gegen¬ zurüſten; denn man wollte die Kinder an dem Tage Als die beiden Väter vor ihren einander gegen¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="9"/> zurüſten; denn man wollte die Kinder an dem Tage<lb/> nicht trennen, der beiden das ſo lange gemeinſam<lb/> entbehrte Licht bringen ſollte.</p><lb/> <p>Als die beiden Väter vor ihren einander gegen¬<lb/> über gelegenen Häuſern angekommen waren, drückte<lb/> der Pfarrer ſeinem alten Freunde die Hand und ſagte<lb/> mit feuchtem Blick: „Gott ſei mit uns und ihnen!“<lb/> dann ſchieden ſie. Der Küſter ging in ſein Haus;<lb/> da war Alles ſtill, die Magd draußen im Garten.<lb/> So trat er in ſein Zimmer und war der Stille froh,<lb/> die ihn mit ſeinem Gott allein ſein ließ. Als er<lb/> über die Schwelle geſchritten, erſchrak er. Sein Kind<lb/> war vom Stuhle aufgefahren, drückte das Tuch<lb/> haſtig vor die Augen, die Bruſt flog ihr wie von<lb/> Krämpfen, die Wangen und Lippen waren blaß. Er<lb/> ſprach ihr zu und bat ſie, ſich zu faſſen und fragte<lb/> ernſtlich: „Was iſt dir geſchehen?“ Sie antwortete<lb/> nur mit Thränen, die ſie ſelbſt nicht verſtand.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0021]
zurüſten; denn man wollte die Kinder an dem Tage
nicht trennen, der beiden das ſo lange gemeinſam
entbehrte Licht bringen ſollte.
Als die beiden Väter vor ihren einander gegen¬
über gelegenen Häuſern angekommen waren, drückte
der Pfarrer ſeinem alten Freunde die Hand und ſagte
mit feuchtem Blick: „Gott ſei mit uns und ihnen!“
dann ſchieden ſie. Der Küſter ging in ſein Haus;
da war Alles ſtill, die Magd draußen im Garten.
So trat er in ſein Zimmer und war der Stille froh,
die ihn mit ſeinem Gott allein ſein ließ. Als er
über die Schwelle geſchritten, erſchrak er. Sein Kind
war vom Stuhle aufgefahren, drückte das Tuch
haſtig vor die Augen, die Bruſt flog ihr wie von
Krämpfen, die Wangen und Lippen waren blaß. Er
ſprach ihr zu und bat ſie, ſich zu faſſen und fragte
ernſtlich: „Was iſt dir geſchehen?“ Sie antwortete
nur mit Thränen, die ſie ſelbſt nicht verſtand.
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/21>, abgerufen am 25.07.2024. |