Abend, Sor Carlo! rief sie. Wie geht's? Ihr kommt zur rechten Zeit. Das arme thörichte Ding da, kein Liebchen wollt' ihm glücken, keine Saite stimmte; der Schelm, der Vogel, den sie doch auch von Euch hat, sang ihr zu laut; Tochter, sagt' ich, er kommt ja, den du lieber hast als deine Augen, Närrchen das du bist! -- Nenna, sagte sie, mir bangt so; und, sagte sie, das Herz schlägt mir so, ich weiß nicht wovon. -- Still! still! sagt' ich, du bist ein Kind. Einen Herrn zu haben, der dich auf Händen trägt, sagt' ich, der dich hegt und pflegt wie sein eigen Herz --
Und der dich in die Hölle schicken wird, verruchte Hexe! schrie Bianchi und trat hart an sie heran. Du Gift! du Niedertracht! dank es deinen grauen Haaren, daß ich dich meine Fäuste nicht empfinden lasse. -- Er schüttelte sie heftig bei der Schulter, die Ader an der Stirn lief ihm glühend an. Die Alte fuhr zusammen und blinzte ihn an. Macht nicht so schlechte Späße mit einer alten Frau, sagte sie stot¬ ternd. Ihr habt mich erschreckt, daß ich die Gicht davon haben werde. Was? Redet sänftlich, Sor Carlo, und führt nicht so unchristliche Worte im Mund, daß man sich kreuzen und segnen möchte! Was habt Ihr mit der armen Nenna?
Was ich habe? schäumte Bianchi und stieß sie von sich, daß sie in die Kniee sank. Sie kann fragen,
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Abend, Sor Carlo! rief ſie. Wie geht's? Ihr kommt zur rechten Zeit. Das arme thörichte Ding da, kein Liebchen wollt' ihm glücken, keine Saite ſtimmte; der Schelm, der Vogel, den ſie doch auch von Euch hat, ſang ihr zu laut; Tochter, ſagt' ich, er kommt ja, den du lieber haſt als deine Augen, Närrchen das du biſt! — Nenna, ſagte ſie, mir bangt ſo; und, ſagte ſie, das Herz ſchlägt mir ſo, ich weiß nicht wovon. — Still! ſtill! ſagt' ich, du biſt ein Kind. Einen Herrn zu haben, der dich auf Händen trägt, ſagt' ich, der dich hegt und pflegt wie ſein eigen Herz —
Und der dich in die Hölle ſchicken wird, verruchte Hexe! ſchrie Bianchi und trat hart an ſie heran. Du Gift! du Niedertracht! dank es deinen grauen Haaren, daß ich dich meine Fäuſte nicht empfinden laſſe. — Er ſchüttelte ſie heftig bei der Schulter, die Ader an der Stirn lief ihm glühend an. Die Alte fuhr zuſammen und blinzte ihn an. Macht nicht ſo ſchlechte Späße mit einer alten Frau, ſagte ſie ſtot¬ ternd. Ihr habt mich erſchreckt, daß ich die Gicht davon haben werde. Was? Redet ſänftlich, Sor Carlo, und führt nicht ſo unchriſtliche Worte im Mund, daß man ſich kreuzen und ſegnen möchte! Was habt Ihr mit der armen Nenna?
Was ich habe? ſchäumte Bianchi und ſtieß ſie von ſich, daß ſie in die Kniee ſank. Sie kann fragen,
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Abend, Sor Carlo! rief ſie. Wie geht's? Ihr kommt
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Liebchen wollt' ihm glücken, keine Saite ſtimmte; der
Schelm, der Vogel, den ſie doch auch von Euch hat,
ſang ihr zu laut; Tochter, ſagt' ich, er kommt ja,
den du lieber haſt als deine Augen, Närrchen das
du biſt! — Nenna, ſagte ſie, mir bangt ſo; und,
ſagte ſie, das Herz ſchlägt mir ſo, ich weiß nicht
wovon. — Still! ſtill! ſagt' ich, du biſt ein Kind.
Einen Herrn zu haben, der dich auf Händen trägt,
ſagt' ich, der dich hegt und pflegt wie ſein eigen
Herz —
Und der dich in die Hölle ſchicken wird, verruchte
Hexe! ſchrie Bianchi und trat hart an ſie heran. Du
Gift! du Niedertracht! dank es deinen grauen
Haaren, daß ich dich meine Fäuſte nicht empfinden
laſſe. — Er ſchüttelte ſie heftig bei der Schulter, die
Ader an der Stirn lief ihm glühend an. Die Alte
fuhr zuſammen und blinzte ihn an. Macht nicht ſo
ſchlechte Späße mit einer alten Frau, ſagte ſie ſtot¬
ternd. Ihr habt mich erſchreckt, daß ich die Gicht
davon haben werde. Was? Redet ſänftlich, Sor
Carlo, und führt nicht ſo unchriſtliche Worte im
Mund, daß man ſich kreuzen und ſegnen möchte!
Was habt Ihr mit der armen Nenna?
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von ſich, daß ſie in die Kniee ſank. Sie kann fragen,
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/205>, abgerufen am 25.07.2024.
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