weit, so gerath' ich in einen Schwall geputzter Men¬ schen, die es eilig haben und frage einen: wohin? Auf Monte Pincio, heißt es, das Wettrennen und die Wagen zu sehn. Ich hatte keinen eignen Weg und lasse mich treiben und gelange gedankenlos mit auf die Höhe. Ihr habt die Gerüste gesehn, die sie gestern noch zimmerten. Heut die weiten Schranken Kopf an Kopf gefüllt, daß ich Mühe hatte, einen Platz zu finden, und unbequem genug, wie ich im er¬ sten Moment dachte, denn die Sonne stand mir ge¬ genüber, daß mir's, über die Bahn blickend, vor den Augen flimmerte. Wie ich nun bedenke, ob ich gehen oder wie mich schützen soll, und stehe noch an meinem Platz, seh' ich nach unten und entdecke einen seidenen Sonnenschirm und ein bezauberndes Stück Hinter¬ haupt und Nacken darunter. Im Nu saß ich, und unter den Schirm mich bückend frag' ich meine Nach¬ barin, die sich abgewendet hatte, ob ich die Wohlthat ihres Schirmes mitgenießen darf. Sie wendet sich, und es war als zuckte mir der Blitz mitten durchs Herz, da ich sie erkannte. Sie schien mich auch wie¬ derzukennen und blieb mir die Antwort schuldig. In¬ deß kam nun auch die Alte neben ihr zum Vorschein, war gesprächig und höflich und befahl Caterinen, den Schatten mit mir zu theilen. Bianchi, wie sie das that, den Schirm in der kleinen Hand regierend, halb verlegen, halb zutraulich, und dann auf meine zudring¬
weit, ſo gerath' ich in einen Schwall geputzter Men¬ ſchen, die es eilig haben und frage einen: wohin? Auf Monte Pincio, heißt es, das Wettrennen und die Wagen zu ſehn. Ich hatte keinen eignen Weg und laſſe mich treiben und gelange gedankenlos mit auf die Höhe. Ihr habt die Gerüſte geſehn, die ſie geſtern noch zimmerten. Heut die weiten Schranken Kopf an Kopf gefüllt, daß ich Mühe hatte, einen Platz zu finden, und unbequem genug, wie ich im er¬ ſten Moment dachte, denn die Sonne ſtand mir ge¬ genüber, daß mir's, über die Bahn blickend, vor den Augen flimmerte. Wie ich nun bedenke, ob ich gehen oder wie mich ſchützen ſoll, und ſtehe noch an meinem Platz, ſeh' ich nach unten und entdecke einen ſeidenen Sonnenſchirm und ein bezauberndes Stück Hinter¬ haupt und Nacken darunter. Im Nu ſaß ich, und unter den Schirm mich bückend frag' ich meine Nach¬ barin, die ſich abgewendet hatte, ob ich die Wohlthat ihres Schirmes mitgenießen darf. Sie wendet ſich, und es war als zuckte mir der Blitz mitten durchs Herz, da ich ſie erkannte. Sie ſchien mich auch wie¬ derzukennen und blieb mir die Antwort ſchuldig. In¬ deß kam nun auch die Alte neben ihr zum Vorſchein, war geſprächig und höflich und befahl Caterinen, den Schatten mit mir zu theilen. Bianchi, wie ſie das that, den Schirm in der kleinen Hand regierend, halb verlegen, halb zutraulich, und dann auf meine zudring¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0199"n="187"/>
weit, ſo gerath' ich in einen Schwall geputzter Men¬<lb/>ſchen, die es eilig haben und frage einen: wohin?<lb/>
Auf Monte Pincio, heißt es, das Wettrennen und<lb/>
die Wagen zu ſehn. Ich hatte keinen eignen Weg<lb/>
und laſſe mich treiben und gelange gedankenlos mit<lb/>
auf die Höhe. Ihr habt die Gerüſte geſehn, die ſie<lb/>
geſtern noch zimmerten. Heut die weiten Schranken<lb/>
Kopf an Kopf gefüllt, daß ich Mühe hatte, einen<lb/>
Platz zu finden, und unbequem genug, wie ich im er¬<lb/>ſten Moment dachte, denn die Sonne ſtand mir ge¬<lb/>
genüber, daß mir's, über die Bahn blickend, vor den<lb/>
Augen flimmerte. Wie ich nun bedenke, ob ich gehen<lb/>
oder wie mich ſchützen ſoll, und ſtehe noch an meinem<lb/>
Platz, ſeh' ich nach unten und entdecke einen ſeidenen<lb/>
Sonnenſchirm und ein bezauberndes Stück Hinter¬<lb/>
haupt und Nacken darunter. Im Nu ſaß ich, und<lb/>
unter den Schirm mich bückend frag' ich meine Nach¬<lb/>
barin, die ſich abgewendet hatte, ob ich die Wohlthat<lb/>
ihres Schirmes mitgenießen darf. Sie wendet ſich,<lb/>
und es war als zuckte mir der Blitz mitten durchs<lb/>
Herz, da ich ſie erkannte. Sie ſchien mich auch wie¬<lb/>
derzukennen und blieb mir die Antwort ſchuldig. In¬<lb/>
deß kam nun auch die Alte neben ihr zum Vorſchein,<lb/>
war geſprächig und höflich und befahl Caterinen, den<lb/>
Schatten mit mir zu theilen. Bianchi, wie ſie das<lb/>
that, den Schirm in der kleinen Hand regierend, halb<lb/>
verlegen, halb zutraulich, und dann auf meine zudring¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[187/0199]
weit, ſo gerath' ich in einen Schwall geputzter Men¬
ſchen, die es eilig haben und frage einen: wohin?
Auf Monte Pincio, heißt es, das Wettrennen und
die Wagen zu ſehn. Ich hatte keinen eignen Weg
und laſſe mich treiben und gelange gedankenlos mit
auf die Höhe. Ihr habt die Gerüſte geſehn, die ſie
geſtern noch zimmerten. Heut die weiten Schranken
Kopf an Kopf gefüllt, daß ich Mühe hatte, einen
Platz zu finden, und unbequem genug, wie ich im er¬
ſten Moment dachte, denn die Sonne ſtand mir ge¬
genüber, daß mir's, über die Bahn blickend, vor den
Augen flimmerte. Wie ich nun bedenke, ob ich gehen
oder wie mich ſchützen ſoll, und ſtehe noch an meinem
Platz, ſeh' ich nach unten und entdecke einen ſeidenen
Sonnenſchirm und ein bezauberndes Stück Hinter¬
haupt und Nacken darunter. Im Nu ſaß ich, und
unter den Schirm mich bückend frag' ich meine Nach¬
barin, die ſich abgewendet hatte, ob ich die Wohlthat
ihres Schirmes mitgenießen darf. Sie wendet ſich,
und es war als zuckte mir der Blitz mitten durchs
Herz, da ich ſie erkannte. Sie ſchien mich auch wie¬
derzukennen und blieb mir die Antwort ſchuldig. In¬
deß kam nun auch die Alte neben ihr zum Vorſchein,
war geſprächig und höflich und befahl Caterinen, den
Schatten mit mir zu theilen. Bianchi, wie ſie das
that, den Schirm in der kleinen Hand regierend, halb
verlegen, halb zutraulich, und dann auf meine zudring¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/199>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.