Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.aus ihm herauszulocken, wie er überhaupt Gesprächen Eines Abends, im heißen Mai, als es draußen aus ihm herauszulocken, wie er überhaupt Geſprächen Eines Abends, im heißen Mai, als es draußen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0197" n="185"/> aus ihm herauszulocken, wie er überhaupt Geſprächen<lb/> über perſönliche Verhältniſſe und innere Erlebniſſe<lb/> auswich. Gerade dies unruhige Gebahren feſſelte ihn<lb/> täglich mehr an Theodor. Er ſelbſt war ſeit der<lb/> Krankheit zahmer und freudiger in allem Thun und<lb/> Reden. Wenn er Theodors Klopfen vernahm, deckte<lb/> er ein Tuch über ſeinen großen Entwurf und öffnete<lb/> haſtig. Er war noch immer ſparſam mit den gering¬<lb/> ſten Liebesbezeigungen. Aber ſein Geſicht konnte nicht<lb/> verläugnen, daß die Gegenwart ſeines Freundes ihm<lb/> mehr als Alles war. Er ſaß dann bei ſeinen Mu¬<lb/> ſcheln am offnen Fenſter, das Geſicht kaum einmal<lb/> zu Theodor gekehrt, und arbeitete rüſtig, während ſie<lb/> ſprachen oder ein Buch Beide erquickte. Er hatte<lb/> durch Theodors Vermittlung Käufer für ſeine Arbei¬<lb/> ten gefunden, die ihm das Doppelte zahlten was der<lb/> Händler bisher gegeben; doch war ſeine neue Woh¬<lb/> nung in nichts reicher ausgeſtattet, als die frühere.<lb/> Freilich vergoldete die Sonne die nackte Wand, an<lb/> der das Rundbild der Meduſe hing und vor dem<lb/> Fenſter lag die entzückende Ferne. — —</p><lb/> <p>Eines Abends, im heißen Mai, als es draußen<lb/> am Tiberufer einſam war und die Mücken überm Ge¬<lb/> ſträuch ungeſtört ſpielten, klang der Klopfer an Bian¬<lb/> chi's Thür raſcher und lauter als ſonſt. Er ſtand<lb/> von der Arbeit auf, vor der er ſinnend geſeſſen hatte,<lb/> und deckte nicht wie ſonſt das Tuch darüber. Er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [185/0197]
aus ihm herauszulocken, wie er überhaupt Geſprächen
über perſönliche Verhältniſſe und innere Erlebniſſe
auswich. Gerade dies unruhige Gebahren feſſelte ihn
täglich mehr an Theodor. Er ſelbſt war ſeit der
Krankheit zahmer und freudiger in allem Thun und
Reden. Wenn er Theodors Klopfen vernahm, deckte
er ein Tuch über ſeinen großen Entwurf und öffnete
haſtig. Er war noch immer ſparſam mit den gering¬
ſten Liebesbezeigungen. Aber ſein Geſicht konnte nicht
verläugnen, daß die Gegenwart ſeines Freundes ihm
mehr als Alles war. Er ſaß dann bei ſeinen Mu¬
ſcheln am offnen Fenſter, das Geſicht kaum einmal
zu Theodor gekehrt, und arbeitete rüſtig, während ſie
ſprachen oder ein Buch Beide erquickte. Er hatte
durch Theodors Vermittlung Käufer für ſeine Arbei¬
ten gefunden, die ihm das Doppelte zahlten was der
Händler bisher gegeben; doch war ſeine neue Woh¬
nung in nichts reicher ausgeſtattet, als die frühere.
Freilich vergoldete die Sonne die nackte Wand, an
der das Rundbild der Meduſe hing und vor dem
Fenſter lag die entzückende Ferne. — —
Eines Abends, im heißen Mai, als es draußen
am Tiberufer einſam war und die Mücken überm Ge¬
ſträuch ungeſtört ſpielten, klang der Klopfer an Bian¬
chi's Thür raſcher und lauter als ſonſt. Er ſtand
von der Arbeit auf, vor der er ſinnend geſeſſen hatte,
und deckte nicht wie ſonſt das Tuch darüber. Er
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