Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Theodor war unfähig zu sprechen; die Stille im Die Gesellschaft gab es seiner Trauer Schuld, daß 12 *
Theodor war unfähig zu ſprechen; die Stille im Die Geſellſchaft gab es ſeiner Trauer Schuld, daß 12 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0191" n="179"/> <p>Theodor war unfähig zu ſprechen; die Stille im<lb/> Zimmer, die Stimmung der Erſchütterung in die er<lb/> eintrat, fremde Geſichter und fremde Sprache be¬<lb/> klemmten ihn aufs höchſte. Und hier in dieſem Au¬<lb/> genblick, nachdem er kurz zuvor einem wonnevollen<lb/> Leben ins Geſicht geſchaut, ſollte er Unbekannten vom<lb/> Todbette des armen Edward erzählen. Ein Schauer<lb/> überlief ihn und ſenkte ihn in jenen Zuſtand hell¬<lb/> ſeheriſcher Dumpfheit zurück, der ihn vorher in der<lb/> Schenke überkommen. Sein Herz hob ſich wieder<lb/> aus den feſten Schranken, in denen es ſich ſelbſt be¬<lb/> gnügt und gebunden hatte, und fühlte ſich über und<lb/> außer ihnen. Es war nur ein frevelhafter Traum<lb/> ohne Antheil des wachen Willens. Aber das Bild<lb/> deſſelben trat auch im Wachen zwiſchen ihn und Alles,<lb/> was er bisher am Herzen gehalten hatte, und das<lb/> Band, das ihn daran knüpfte, ſchien ihm morſch, ſeit<lb/> der Traum es zerriſſen hatte.</p><lb/> <p>Die Geſellſchaft gab es ſeiner Trauer Schuld, daß<lb/> ihm jede Antwort verſagte. Er hatte ſich neben Ma¬<lb/> rien geſetzt und ſah lange auf ihre feine blaſſe Stirn.<lb/> Das ſtille Weiß beunruhigte ihn. Die blauen Augen,<lb/> die ihm klar und glücklich und ernſthaft entgegen ſchie¬<lb/> nen, hatten heut keine Gewalt über ihn. Er empfand<lb/> es deutlich als ſeine eigene Unfähigkeit, daß er ſich<lb/> heut dieſer adligen Geſtalt nicht freuen konnte wie ſonſt,<lb/> von dieſen reizenden Lippen nicht begierig jedes Wort<lb/> <fw place="bottom" type="sig">12 *<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [179/0191]
Theodor war unfähig zu ſprechen; die Stille im
Zimmer, die Stimmung der Erſchütterung in die er
eintrat, fremde Geſichter und fremde Sprache be¬
klemmten ihn aufs höchſte. Und hier in dieſem Au¬
genblick, nachdem er kurz zuvor einem wonnevollen
Leben ins Geſicht geſchaut, ſollte er Unbekannten vom
Todbette des armen Edward erzählen. Ein Schauer
überlief ihn und ſenkte ihn in jenen Zuſtand hell¬
ſeheriſcher Dumpfheit zurück, der ihn vorher in der
Schenke überkommen. Sein Herz hob ſich wieder
aus den feſten Schranken, in denen es ſich ſelbſt be¬
gnügt und gebunden hatte, und fühlte ſich über und
außer ihnen. Es war nur ein frevelhafter Traum
ohne Antheil des wachen Willens. Aber das Bild
deſſelben trat auch im Wachen zwiſchen ihn und Alles,
was er bisher am Herzen gehalten hatte, und das
Band, das ihn daran knüpfte, ſchien ihm morſch, ſeit
der Traum es zerriſſen hatte.
Die Geſellſchaft gab es ſeiner Trauer Schuld, daß
ihm jede Antwort verſagte. Er hatte ſich neben Ma¬
rien geſetzt und ſah lange auf ihre feine blaſſe Stirn.
Das ſtille Weiß beunruhigte ihn. Die blauen Augen,
die ihm klar und glücklich und ernſthaft entgegen ſchie¬
nen, hatten heut keine Gewalt über ihn. Er empfand
es deutlich als ſeine eigene Unfähigkeit, daß er ſich
heut dieſer adligen Geſtalt nicht freuen konnte wie ſonſt,
von dieſen reizenden Lippen nicht begierig jedes Wort
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