Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Die Unterhaltung stockte, als er eintrat; seine Braut Ihr seid spät gekommen, lieber Theodor, sagte Die Unterhaltung ſtockte, als er eintrat; ſeine Braut Ihr ſeid ſpät gekommen, lieber Theodor, ſagte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0190" n="178"/> <p>Die Unterhaltung ſtockte, als er eintrat; ſeine Braut<lb/> ſtand auf, ging ihm entgegen und gab ihm herzlich<lb/> die Hand. Er ließ einen kurzen dringenden Blick auf<lb/> dem edeln Geſicht ruhen, das unbefangen zu ihm<lb/> aufſah, und näherte ſich dann der Mutter, die ihm<lb/> freundlich einen Gruß entgegenrief und ſich vorneigte<lb/> in dem ſeidnen Seſſel, ihm ebenfalls die Hand zu<lb/> ſchütteln. Sie war, wie auch die Tochter, noch im¬<lb/> mer ſchwarz gekleidet, nur daß ſie ihr Haar unter<lb/> einer grauen Florhaube trug, während ein ſchmales<lb/> ſchwarzes Band über der Stirn die braunen Locken<lb/> des Mädchens zuſammenhielt. Auch der Vater em¬<lb/> pfing ihn freundlich und ſtellte ihn einigen Herren<lb/> vor, die um den lichterhellen Tiſch ſaßen. Es waren<lb/> zwei engliſche Herren, Brüder, alte Freunde des Hau¬<lb/> ſes, die vor kurzem aus England gekommen waren.<lb/> Den Fremden zu Liebe ſprach man engliſch.</p><lb/> <p>Ihr ſeid ſpät gekommen, lieber Theodor, ſagte<lb/> die Mutter. Ihr habt uns gefehlt, als wir unſern<lb/> würdigen Freunden von den letzten Stunden unſeres<lb/> Edward erzählten. Meine armen Augen thaten da¬<lb/> mals nur ſchwach ihren Dienſt, und der Vater und<lb/> Mary waren krank, wie Ihr wißt. Wir verloren<lb/> Alle mehr als Ihr, denn Ihr kanntet ihn kaum. So<lb/> hattet Ihr am meiſten Faſſung, und könnt ergänzen,<lb/> was uns wie ein ſchrecklich zerriſſener Traum, noch<lb/> jetzt faſt unglaublich, in der Erinnerung ſteht.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [178/0190]
Die Unterhaltung ſtockte, als er eintrat; ſeine Braut
ſtand auf, ging ihm entgegen und gab ihm herzlich
die Hand. Er ließ einen kurzen dringenden Blick auf
dem edeln Geſicht ruhen, das unbefangen zu ihm
aufſah, und näherte ſich dann der Mutter, die ihm
freundlich einen Gruß entgegenrief und ſich vorneigte
in dem ſeidnen Seſſel, ihm ebenfalls die Hand zu
ſchütteln. Sie war, wie auch die Tochter, noch im¬
mer ſchwarz gekleidet, nur daß ſie ihr Haar unter
einer grauen Florhaube trug, während ein ſchmales
ſchwarzes Band über der Stirn die braunen Locken
des Mädchens zuſammenhielt. Auch der Vater em¬
pfing ihn freundlich und ſtellte ihn einigen Herren
vor, die um den lichterhellen Tiſch ſaßen. Es waren
zwei engliſche Herren, Brüder, alte Freunde des Hau¬
ſes, die vor kurzem aus England gekommen waren.
Den Fremden zu Liebe ſprach man engliſch.
Ihr ſeid ſpät gekommen, lieber Theodor, ſagte
die Mutter. Ihr habt uns gefehlt, als wir unſern
würdigen Freunden von den letzten Stunden unſeres
Edward erzählten. Meine armen Augen thaten da¬
mals nur ſchwach ihren Dienſt, und der Vater und
Mary waren krank, wie Ihr wißt. Wir verloren
Alle mehr als Ihr, denn Ihr kanntet ihn kaum. So
hattet Ihr am meiſten Faſſung, und könnt ergänzen,
was uns wie ein ſchrecklich zerriſſener Traum, noch
jetzt faſt unglaublich, in der Erinnerung ſteht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |