mit Händewinken. Theurer Sor Gigi, sagte er, laßt Euch nicht stören! wir kennen einander. -- Er sah nun erst, daß die Augen des würdigen Mannes feucht schimmerten und daß er nur im Essen fortfuhr, um seine verlegene Freude nicht offenbar zu machen. Er ist ein Sänger, raunte Bianchi seinem Begleiter zu, der sich zu den Kirchen hält und bei Festen mitsingt. Sie haben ihn scheeren wollen, weil er Bildung hat und was vorstellt; aber er hat ihnen die Feige ge¬ boten. Das sind Alles freie Leute, so viel hier sitzen. Kommt, mein Freund Gigi macht uns Platz neben sich.
Indessen kam der Bursch, fegte mit einem nicht sehr saubern Tuche die Tischplatte und stellte die große offne Flasche vor die Beiden. Theodor nahm Platz, während Bianchi noch hie und da Hände zu drücken und neugierigen Fragen zu antworten hatte. Eine qualmende Messinglampe leuchtete mit ihren drei rothen Flämmchen über den Tisch. Der junge Mann brauchte einige Zeit, sich an den Dunst und Tabacksdampf, durch den der Geruch des siedenden Oels hinzog, zu gewöhnen. Bald aber vergaß er Alles über dem Anblick eines auffallenden Paars, das ihm gegenüber am Tisch saß. Es war ein junges Mädchen in der Tracht derer von Albano; die rothe Jacke umschloß knapp den eben erst gereiften Busen, darüber war das Spitzentuch gefaltet und große sil¬ berne Nadeln hielten über den Flechten das flache
mit Händewinken. Theurer Sor Gigi, ſagte er, laßt Euch nicht ſtören! wir kennen einander. — Er ſah nun erſt, daß die Augen des würdigen Mannes feucht ſchimmerten und daß er nur im Eſſen fortfuhr, um ſeine verlegene Freude nicht offenbar zu machen. Er iſt ein Sänger, raunte Bianchi ſeinem Begleiter zu, der ſich zu den Kirchen hält und bei Feſten mitſingt. Sie haben ihn ſcheeren wollen, weil er Bildung hat und was vorſtellt; aber er hat ihnen die Feige ge¬ boten. Das ſind Alles freie Leute, ſo viel hier ſitzen. Kommt, mein Freund Gigi macht uns Platz neben ſich.
Indeſſen kam der Burſch, fegte mit einem nicht ſehr ſaubern Tuche die Tiſchplatte und ſtellte die große offne Flaſche vor die Beiden. Theodor nahm Platz, während Bianchi noch hie und da Hände zu drücken und neugierigen Fragen zu antworten hatte. Eine qualmende Meſſinglampe leuchtete mit ihren drei rothen Flämmchen über den Tiſch. Der junge Mann brauchte einige Zeit, ſich an den Dunſt und Tabacksdampf, durch den der Geruch des ſiedenden Oels hinzog, zu gewöhnen. Bald aber vergaß er Alles über dem Anblick eines auffallenden Paars, das ihm gegenüber am Tiſch ſaß. Es war ein junges Mädchen in der Tracht derer von Albano; die rothe Jacke umſchloß knapp den eben erſt gereiften Buſen, darüber war das Spitzentuch gefaltet und große ſil¬ berne Nadeln hielten über den Flechten das flache
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0184"n="172"/>
mit Händewinken. Theurer Sor Gigi, ſagte er, laßt<lb/>
Euch nicht ſtören! wir kennen einander. — Er ſah<lb/>
nun erſt, daß die Augen des würdigen Mannes feucht<lb/>ſchimmerten und daß er nur im Eſſen fortfuhr, um<lb/>ſeine verlegene Freude nicht offenbar zu machen. Er<lb/>
iſt ein Sänger, raunte Bianchi ſeinem Begleiter zu,<lb/>
der ſich zu den Kirchen hält und bei Feſten mitſingt.<lb/>
Sie haben ihn ſcheeren wollen, weil er Bildung hat<lb/>
und was vorſtellt; aber er hat ihnen die Feige ge¬<lb/>
boten. Das ſind Alles freie Leute, ſo viel hier ſitzen.<lb/>
Kommt, mein Freund Gigi macht uns Platz neben ſich.</p><lb/><p>Indeſſen kam der Burſch, fegte mit einem nicht<lb/>ſehr ſaubern Tuche die Tiſchplatte und ſtellte die<lb/>
große offne Flaſche vor die Beiden. Theodor nahm<lb/>
Platz, während Bianchi noch hie und da Hände zu<lb/>
drücken und neugierigen Fragen zu antworten hatte.<lb/>
Eine qualmende Meſſinglampe leuchtete mit ihren<lb/>
drei rothen Flämmchen über den Tiſch. Der junge<lb/>
Mann brauchte einige Zeit, ſich an den Dunſt und<lb/>
Tabacksdampf, durch den der Geruch des ſiedenden<lb/>
Oels hinzog, zu gewöhnen. Bald aber vergaß er<lb/>
Alles über dem Anblick eines auffallenden Paars, das<lb/>
ihm gegenüber am Tiſch ſaß. Es war ein junges<lb/>
Mädchen in der Tracht derer von Albano; die rothe<lb/>
Jacke umſchloß knapp den eben erſt gereiften Buſen,<lb/>
darüber war das Spitzentuch gefaltet und große ſil¬<lb/>
berne Nadeln hielten über den Flechten das flache<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0184]
mit Händewinken. Theurer Sor Gigi, ſagte er, laßt
Euch nicht ſtören! wir kennen einander. — Er ſah
nun erſt, daß die Augen des würdigen Mannes feucht
ſchimmerten und daß er nur im Eſſen fortfuhr, um
ſeine verlegene Freude nicht offenbar zu machen. Er
iſt ein Sänger, raunte Bianchi ſeinem Begleiter zu,
der ſich zu den Kirchen hält und bei Feſten mitſingt.
Sie haben ihn ſcheeren wollen, weil er Bildung hat
und was vorſtellt; aber er hat ihnen die Feige ge¬
boten. Das ſind Alles freie Leute, ſo viel hier ſitzen.
Kommt, mein Freund Gigi macht uns Platz neben ſich.
Indeſſen kam der Burſch, fegte mit einem nicht
ſehr ſaubern Tuche die Tiſchplatte und ſtellte die
große offne Flaſche vor die Beiden. Theodor nahm
Platz, während Bianchi noch hie und da Hände zu
drücken und neugierigen Fragen zu antworten hatte.
Eine qualmende Meſſinglampe leuchtete mit ihren
drei rothen Flämmchen über den Tiſch. Der junge
Mann brauchte einige Zeit, ſich an den Dunſt und
Tabacksdampf, durch den der Geruch des ſiedenden
Oels hinzog, zu gewöhnen. Bald aber vergaß er
Alles über dem Anblick eines auffallenden Paars, das
ihm gegenüber am Tiſch ſaß. Es war ein junges
Mädchen in der Tracht derer von Albano; die rothe
Jacke umſchloß knapp den eben erſt gereiften Buſen,
darüber war das Spitzentuch gefaltet und große ſil¬
berne Nadeln hielten über den Flechten das flache
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/184>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.