Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.seine Arbeiten wieder aufnehmen. Während er dort Die Mandeln blühten röthlich in den Gärten am ſeine Arbeiten wieder aufnehmen. Während er dort Die Mandeln blühten röthlich in den Gärten am <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0177" n="165"/> ſeine Arbeiten wieder aufnehmen. Während er dort<lb/> ſaß und ſeine Köpfe ſchnitt oder eigne kleine Com¬<lb/> poſitionen in Wachs bildete, um ſie nachher zu ſchnei¬<lb/> den, las ihm Theodor aus dem Homer. Die Göt¬<lb/> ter, deren Bilder, im weiten Rom verſtreut, ihm ſo<lb/> lange nur ſchöne Leiber geweſen, von verworrnen<lb/> Begriffen dürftig belebt, wachten nun klar in ihm auf.<lb/> Es war, als faſſe er jetzt erſt die Welt, in der er im<lb/> Traum herumgegangen, offen ins Auge. Und nun<lb/> wuchs die Begier, wieder hinauszugehen und das<lb/> Alles leibhaftig aufzuſuchen, was er ſich in der Phan¬<lb/> taſie neu und zum erſten Mal angeeignet hatte. —</p><lb/> <p>Die Mandeln blühten röthlich in den Gärten am<lb/> Monte Pincio, als er zuerſt wieder an der Brüſtung<lb/> ſtand und über das weite Rom zu den Höhen hin¬<lb/> überſah. Unten lag die Stadt laut und ſonnig, der<lb/> Strom blinkte herauf, von der Engelsburg flatterten<lb/> die großen Wimpel der Standarten im Winde, der<lb/> weich vom Meer herüberkam, und über der Runde<lb/> ſpannte ſich das zarte feine Blau des römiſchen März¬<lb/> himmels. Bianchi ſtützte ſich auf den Stock und<lb/> ſah finſter unter den Augenbrauen hervor, wie er that,<lb/> wenn er ſich gegen ſein eignes Herz wehrte. Auch<lb/> Theodor ſtand in tiefen Gedanken. Endlich wandte<lb/> er den Blick von der Ferne ab, ſah Bianchi ernſthaft<lb/> an und ſagte: Ihr ſeid wieder geneſen; noch wenige<lb/> Tage, ſo werdet Ihr da unten in der Ripetta in Euer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0177]
ſeine Arbeiten wieder aufnehmen. Während er dort
ſaß und ſeine Köpfe ſchnitt oder eigne kleine Com¬
poſitionen in Wachs bildete, um ſie nachher zu ſchnei¬
den, las ihm Theodor aus dem Homer. Die Göt¬
ter, deren Bilder, im weiten Rom verſtreut, ihm ſo
lange nur ſchöne Leiber geweſen, von verworrnen
Begriffen dürftig belebt, wachten nun klar in ihm auf.
Es war, als faſſe er jetzt erſt die Welt, in der er im
Traum herumgegangen, offen ins Auge. Und nun
wuchs die Begier, wieder hinauszugehen und das
Alles leibhaftig aufzuſuchen, was er ſich in der Phan¬
taſie neu und zum erſten Mal angeeignet hatte. —
Die Mandeln blühten röthlich in den Gärten am
Monte Pincio, als er zuerſt wieder an der Brüſtung
ſtand und über das weite Rom zu den Höhen hin¬
überſah. Unten lag die Stadt laut und ſonnig, der
Strom blinkte herauf, von der Engelsburg flatterten
die großen Wimpel der Standarten im Winde, der
weich vom Meer herüberkam, und über der Runde
ſpannte ſich das zarte feine Blau des römiſchen März¬
himmels. Bianchi ſtützte ſich auf den Stock und
ſah finſter unter den Augenbrauen hervor, wie er that,
wenn er ſich gegen ſein eignes Herz wehrte. Auch
Theodor ſtand in tiefen Gedanken. Endlich wandte
er den Blick von der Ferne ab, ſah Bianchi ernſthaft
an und ſagte: Ihr ſeid wieder geneſen; noch wenige
Tage, ſo werdet Ihr da unten in der Ripetta in Euer
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