Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

läßt es danach seinen Jungen, daß sie ihre Milch¬
zähne dran durchbeißen. Hätt' ich reden können und
sagen, was mir Alles während des Arbeitens durch
den Kopf gegangen, vielleicht daß der Alte andre
Augen gemacht hätte, denn es soll ein guter Verstand
in ihm sein. Nur war er gerade um die Stunde
grämlich aufgelegt und ließ Alles über mich ergehn.
Es ward mir endlich des Schwatzens zu viel, dieses
Geschwirrs von bunten Kinderbolzen, von denen kei¬
ner die Sache traf und jeder den Mann; denn es
prickelte mich wie lauter Nadeln. Ein Andrer hätte
sich lächelnd geschüttelt und vielleicht das Feld be¬
hauptet. Ich aber -- woher soll ich's haben? Mein
Vater machte nicht viel Redens über seine Cameen,
und wie er todt war, war's in Rom nicht lauter und
nicht stiller. Und ich bin immer den Gelehrten aus
dem Wege gegangen. So macht' ich mich auch dies¬
mal von ihnen fort und verschwor's, je wieder mit
ihnen anzubinden. Wie ich nach der Ripetta hin¬
unterkam, grimmte mich's und ich warf meine Skizze
in den Tiber. Der mag sie umschmelzen, sagt' ich
und war erleichtert in mir, daß mich's trieb, spazieren
zu gehn in die Campagne. Da habt Ihr mich ge¬
funden.

Ihr sollt den Gelehrten nicht entgehn, sagte Theo¬
dor nach einer Pause scherzend, um den Andern, der
in ein Brüten versank, wieder auf die Gegenwart

läßt es danach ſeinen Jungen, daß ſie ihre Milch¬
zähne dran durchbeißen. Hätt' ich reden können und
ſagen, was mir Alles während des Arbeitens durch
den Kopf gegangen, vielleicht daß der Alte andre
Augen gemacht hätte, denn es ſoll ein guter Verſtand
in ihm ſein. Nur war er gerade um die Stunde
grämlich aufgelegt und ließ Alles über mich ergehn.
Es ward mir endlich des Schwatzens zu viel, dieſes
Geſchwirrs von bunten Kinderbolzen, von denen kei¬
ner die Sache traf und jeder den Mann; denn es
prickelte mich wie lauter Nadeln. Ein Andrer hätte
ſich lächelnd geſchüttelt und vielleicht das Feld be¬
hauptet. Ich aber — woher ſoll ich's haben? Mein
Vater machte nicht viel Redens über ſeine Cameen,
und wie er todt war, war's in Rom nicht lauter und
nicht ſtiller. Und ich bin immer den Gelehrten aus
dem Wege gegangen. So macht' ich mich auch dies¬
mal von ihnen fort und verſchwor's, je wieder mit
ihnen anzubinden. Wie ich nach der Ripetta hin¬
unterkam, grimmte mich's und ich warf meine Skizze
in den Tiber. Der mag ſie umſchmelzen, ſagt' ich
und war erleichtert in mir, daß mich's trieb, ſpazieren
zu gehn in die Campagne. Da habt Ihr mich ge¬
funden.

Ihr ſollt den Gelehrten nicht entgehn, ſagte Theo¬
dor nach einer Pauſe ſcherzend, um den Andern, der
in ein Brüten verſank, wieder auf die Gegenwart

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="159"/>
läßt es danach &#x017F;einen Jungen, daß &#x017F;ie ihre Milch¬<lb/>
zähne dran durchbeißen. Hätt' ich reden können und<lb/>
&#x017F;agen, was mir Alles während des Arbeitens durch<lb/>
den Kopf gegangen, vielleicht daß der Alte andre<lb/>
Augen gemacht hätte, denn es &#x017F;oll ein guter Ver&#x017F;tand<lb/>
in ihm &#x017F;ein. Nur war er gerade um die Stunde<lb/>
grämlich aufgelegt und ließ Alles über mich ergehn.<lb/>
Es ward mir endlich des Schwatzens zu viel, die&#x017F;es<lb/>
Ge&#x017F;chwirrs von bunten Kinderbolzen, von denen kei¬<lb/>
ner die Sache traf und jeder den Mann; denn es<lb/>
prickelte mich wie lauter Nadeln. Ein Andrer hätte<lb/>
&#x017F;ich lächelnd ge&#x017F;chüttelt und vielleicht das Feld be¬<lb/>
hauptet. Ich aber &#x2014; woher &#x017F;oll ich's haben? Mein<lb/>
Vater machte nicht viel Redens über &#x017F;eine Cameen,<lb/>
und wie er todt war, war's in Rom nicht lauter und<lb/>
nicht &#x017F;tiller. Und ich bin immer den Gelehrten aus<lb/>
dem Wege gegangen. So macht' ich mich auch dies¬<lb/>
mal von ihnen fort und ver&#x017F;chwor's, je wieder mit<lb/>
ihnen anzubinden. Wie ich nach der Ripetta hin¬<lb/>
unterkam, grimmte mich's und ich warf meine Skizze<lb/>
in den Tiber. Der mag &#x017F;ie um&#x017F;chmelzen, &#x017F;agt' ich<lb/>
und war erleichtert in mir, daß mich's trieb, &#x017F;pazieren<lb/>
zu gehn in die Campagne. Da habt Ihr mich ge¬<lb/>
funden.</p><lb/>
        <p>Ihr &#x017F;ollt den Gelehrten nicht entgehn, &#x017F;agte Theo¬<lb/>
dor nach einer Pau&#x017F;e &#x017F;cherzend, um den Andern, der<lb/>
in ein Brüten ver&#x017F;ank, wieder auf die Gegenwart<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0171] läßt es danach ſeinen Jungen, daß ſie ihre Milch¬ zähne dran durchbeißen. Hätt' ich reden können und ſagen, was mir Alles während des Arbeitens durch den Kopf gegangen, vielleicht daß der Alte andre Augen gemacht hätte, denn es ſoll ein guter Verſtand in ihm ſein. Nur war er gerade um die Stunde grämlich aufgelegt und ließ Alles über mich ergehn. Es ward mir endlich des Schwatzens zu viel, dieſes Geſchwirrs von bunten Kinderbolzen, von denen kei¬ ner die Sache traf und jeder den Mann; denn es prickelte mich wie lauter Nadeln. Ein Andrer hätte ſich lächelnd geſchüttelt und vielleicht das Feld be¬ hauptet. Ich aber — woher ſoll ich's haben? Mein Vater machte nicht viel Redens über ſeine Cameen, und wie er todt war, war's in Rom nicht lauter und nicht ſtiller. Und ich bin immer den Gelehrten aus dem Wege gegangen. So macht' ich mich auch dies¬ mal von ihnen fort und verſchwor's, je wieder mit ihnen anzubinden. Wie ich nach der Ripetta hin¬ unterkam, grimmte mich's und ich warf meine Skizze in den Tiber. Der mag ſie umſchmelzen, ſagt' ich und war erleichtert in mir, daß mich's trieb, ſpazieren zu gehn in die Campagne. Da habt Ihr mich ge¬ funden. Ihr ſollt den Gelehrten nicht entgehn, ſagte Theo¬ dor nach einer Pauſe ſcherzend, um den Andern, der in ein Brüten verſank, wieder auf die Gegenwart

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/171
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/171>, abgerufen am 21.12.2024.