Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.dann aus dem Garten rief, seit der Stunde schon So sprach sie mit ruhiger, gefaßter Stimme. Der Knabe schien es zu empfinden. Er stand rasch dann aus dem Garten rief, ſeit der Stunde ſchon So ſprach ſie mit ruhiger, gefaßter Stimme. Der Knabe ſchien es zu empfinden. Er ſtand raſch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="5"/> dann aus dem Garten rief, ſeit der Stunde ſchon<lb/> liegt was auf mir und will nicht weichen. Du warſt<lb/> ſo in Freuden, daß du nichts gewahr wurdeſt. Aber<lb/> wie dein Vater damals zu beten anfing und Gott<lb/> Dank ſagte für dieſe Gnade, ſchwieg es ganz ſtill in<lb/> mir und betete nicht mit. Ich ſann in mir herum,<lb/> wofür ich danken ſolle und begriffs nicht.“</p><lb/> <p>So ſprach ſie mit ruhiger, gefaßter Stimme.<lb/> Der Knabe ſchlug wieder einige leiſe Accorde an.<lb/> Zwiſchen den heiſer ſchwirrenden Tönen, wie ſie die¬<lb/> ſen alten Inſtrumenten eigen ſind, klang ferner Ge¬<lb/> ſang heimkehrender Feldarbeiter, ein Gegenſatz wie<lb/> der eines hellen, kräftig erfüllten Lebens zu dem<lb/> Traumleben dieſer blinden Kinder.</p><lb/> <p>Der Knabe ſchien es zu empfinden. Er ſtand raſch<lb/> auf, trat an das Fenſter mit ſicherem Schritt — denn<lb/> er kannte dies Zimmer und all ſein Geräth — und<lb/> indem er die ſchönen blonden Locken zurückwarf, ſagte<lb/> er: „Du biſt wunderlich, Marlene! Die Eltern und<lb/> Alle im Dorf wünſchen uns Glück. Sollt' es nun<lb/> kein Glück ſein? Bis mir's verheißen wurde, hab'<lb/> ich auch nicht viel danach gefragt. Wir ſind blind,<lb/> ſagen ſie. Ich verſtand nie, was uns fehlen ſoll.<lb/> Wenn wir draußen ſaßen am Wäldchen, und Rei¬<lb/> ſende kamen vorbei und ſagten: Arme Kinder! ward<lb/> ich zornig und dachte: Was haben ſie uns zu be¬<lb/> dauern? Aber daß wir anders ſind als die Andern,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0017]
dann aus dem Garten rief, ſeit der Stunde ſchon
liegt was auf mir und will nicht weichen. Du warſt
ſo in Freuden, daß du nichts gewahr wurdeſt. Aber
wie dein Vater damals zu beten anfing und Gott
Dank ſagte für dieſe Gnade, ſchwieg es ganz ſtill in
mir und betete nicht mit. Ich ſann in mir herum,
wofür ich danken ſolle und begriffs nicht.“
So ſprach ſie mit ruhiger, gefaßter Stimme.
Der Knabe ſchlug wieder einige leiſe Accorde an.
Zwiſchen den heiſer ſchwirrenden Tönen, wie ſie die¬
ſen alten Inſtrumenten eigen ſind, klang ferner Ge¬
ſang heimkehrender Feldarbeiter, ein Gegenſatz wie
der eines hellen, kräftig erfüllten Lebens zu dem
Traumleben dieſer blinden Kinder.
Der Knabe ſchien es zu empfinden. Er ſtand raſch
auf, trat an das Fenſter mit ſicherem Schritt — denn
er kannte dies Zimmer und all ſein Geräth — und
indem er die ſchönen blonden Locken zurückwarf, ſagte
er: „Du biſt wunderlich, Marlene! Die Eltern und
Alle im Dorf wünſchen uns Glück. Sollt' es nun
kein Glück ſein? Bis mir's verheißen wurde, hab'
ich auch nicht viel danach gefragt. Wir ſind blind,
ſagen ſie. Ich verſtand nie, was uns fehlen ſoll.
Wenn wir draußen ſaßen am Wäldchen, und Rei¬
ſende kamen vorbei und ſagten: Arme Kinder! ward
ich zornig und dachte: Was haben ſie uns zu be¬
dauern? Aber daß wir anders ſind als die Andern,
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