Der Kranke warf einen ruhigen Blick auf die nackten vier Wände und sagte: An so viel Luxus als Ihr da seht, bin ich gewöhnt. Ich habe freilich schon einmal dran gedacht, draußen auf dem Platz ein großes Stück anzufangen, am Brunnen Mittags meine Artischocken zu essen und Nachts zu Füßen meines Werks zu schlafen. Aber man ist weichlich und scheut das Wetter, und feige und scheut das Gerede. Ueberdies kann ich den Wein nicht entbeh¬ ren, noch die Weiber.
Wenn Euch aber Gelegenheit würde, Euch mit aller Sorglosigkeit an einen Marmor zu machen --
Der Kranke richtete sich ungestüm auf. Wißt Ihr was Ihr anrichtet mit Eurer leichtsinnigen Frage? rief er und seine Augen funkelten. Da seht in die Ecke! Dahin hab' ich Alles über einander geworfen, was mir zuweilen mit solchen Fragen kam. Der Staub begräbt diese vorlauten Schreier nach und nach, und meine Augen wissen schon, daß ich's ihnen nicht ver¬ geben kann, wenn sie da herumgehn. Und ich war Narr genug und laß mich wieder gelüsten, da es hieß, man solle Entwürfe einliefern zum Monument des verstorbenen Papstes. Ein paar Wochen seh' ich und sinn' ich nichts anders und bracht' es zu Stande mit allem Feuer und war selbst zufrieden mit meiner Sache. Ich Narr, mir was einzubilden! Das war gestern. Ich schlag' es in ein Tuch und trag' es selbst den
Der Kranke warf einen ruhigen Blick auf die nackten vier Wände und ſagte: An ſo viel Luxus als Ihr da ſeht, bin ich gewöhnt. Ich habe freilich ſchon einmal dran gedacht, draußen auf dem Platz ein großes Stück anzufangen, am Brunnen Mittags meine Artiſchocken zu eſſen und Nachts zu Füßen meines Werks zu ſchlafen. Aber man iſt weichlich und ſcheut das Wetter, und feige und ſcheut das Gerede. Ueberdies kann ich den Wein nicht entbeh¬ ren, noch die Weiber.
Wenn Euch aber Gelegenheit würde, Euch mit aller Sorgloſigkeit an einen Marmor zu machen —
Der Kranke richtete ſich ungeſtüm auf. Wißt Ihr was Ihr anrichtet mit Eurer leichtſinnigen Frage? rief er und ſeine Augen funkelten. Da ſeht in die Ecke! Dahin hab' ich Alles über einander geworfen, was mir zuweilen mit ſolchen Fragen kam. Der Staub begräbt dieſe vorlauten Schreier nach und nach, und meine Augen wiſſen ſchon, daß ich's ihnen nicht ver¬ geben kann, wenn ſie da herumgehn. Und ich war Narr genug und laß mich wieder gelüſten, da es hieß, man ſolle Entwürfe einliefern zum Monument des verſtorbenen Papſtes. Ein paar Wochen ſeh' ich und ſinn' ich nichts anders und bracht' es zu Stande mit allem Feuer und war ſelbſt zufrieden mit meiner Sache. Ich Narr, mir was einzubilden! Das war geſtern. Ich ſchlag' es in ein Tuch und trag' es ſelbſt den
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Der Kranke warf einen ruhigen Blick auf die
nackten vier Wände und ſagte: An ſo viel Luxus als
Ihr da ſeht, bin ich gewöhnt. Ich habe freilich ſchon
einmal dran gedacht, draußen auf dem Platz ein
großes Stück anzufangen, am Brunnen Mittags
meine Artiſchocken zu eſſen und Nachts zu Füßen
meines Werks zu ſchlafen. Aber man iſt weichlich
und ſcheut das Wetter, und feige und ſcheut das
Gerede. Ueberdies kann ich den Wein nicht entbeh¬
ren, noch die Weiber.
Wenn Euch aber Gelegenheit würde, Euch mit
aller Sorgloſigkeit an einen Marmor zu machen —
Der Kranke richtete ſich ungeſtüm auf. Wißt Ihr
was Ihr anrichtet mit Eurer leichtſinnigen Frage? rief
er und ſeine Augen funkelten. Da ſeht in die Ecke!
Dahin hab' ich Alles über einander geworfen, was
mir zuweilen mit ſolchen Fragen kam. Der Staub
begräbt dieſe vorlauten Schreier nach und nach, und
meine Augen wiſſen ſchon, daß ich's ihnen nicht ver¬
geben kann, wenn ſie da herumgehn. Und ich war
Narr genug und laß mich wieder gelüſten, da es hieß,
man ſolle Entwürfe einliefern zum Monument des
verſtorbenen Papſtes. Ein paar Wochen ſeh' ich und
ſinn' ich nichts anders und bracht' es zu Stande mit
allem Feuer und war ſelbſt zufrieden mit meiner Sache.
Ich Narr, mir was einzubilden! Das war geſtern.
Ich ſchlag' es in ein Tuch und trag' es ſelbſt den
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/169>, abgerufen am 25.07.2024.
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