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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Gegen den Abend, als der Wind stärker wurde,
schritt ein Mann durch die Porta Pia und wanderte
den Fahrweg zwischen den Landhäusern hin. Der Man¬
tel hing ihm nachlässig um die starken Schultern und
der breite graue Hut saß tief im Nacken. Er sah
nach den Bergen hinüber, bis der Weg tiefer ward
und nur ein geringes Stück der Ferne zwischen den
Gartenmauern durchblickte. Die Enge schien ihn zu
beklemmen. Er verlor sich wieder unmuthig in seine
Gedanken, denen zu entrinnen er das Freie gesucht
hatte. Eine stattliche Eminenz trippelte mit ihrem
Gefolge an ihm vorbei, ohne daß er sie gewahrte
und grüßte. Erst der nachfahrende Cardinalswagen
erinnerte ihn an seinen Verstoß. Von Tivoli her
rollten Carossen und leichtere Fuhrwerke voll Frem¬
der, die es gelüstet hatte, die Berge und Cascaden
im Schnee zu sehen. Er warf keinen Blick auf die
zierlichen Gesichter der jungen Engländerinnen, mit
deren blauen Schleiern die Tramontane spielte. Ha¬
stig bog er von der Straße ab, links einen Feldweg
hinein, der erst Mühlen und Schenken vorüber lief
und dann mitten in die Wildniß der Campagne hin¬
aus führte.

Nun stand er einen Augenblick, tief athmend, und
genoß die Freiheit des weiten winterlichen Himmels.
Die gedämpfte Sonne schien röthlich herüber, hauchte
die Trümmer der Wasserleitung an und färbte den

Gegen den Abend, als der Wind ſtärker wurde,
ſchritt ein Mann durch die Porta Pia und wanderte
den Fahrweg zwiſchen den Landhäuſern hin. Der Man¬
tel hing ihm nachläſſig um die ſtarken Schultern und
der breite graue Hut ſaß tief im Nacken. Er ſah
nach den Bergen hinüber, bis der Weg tiefer ward
und nur ein geringes Stück der Ferne zwiſchen den
Gartenmauern durchblickte. Die Enge ſchien ihn zu
beklemmen. Er verlor ſich wieder unmuthig in ſeine
Gedanken, denen zu entrinnen er das Freie geſucht
hatte. Eine ſtattliche Eminenz trippelte mit ihrem
Gefolge an ihm vorbei, ohne daß er ſie gewahrte
und grüßte. Erſt der nachfahrende Cardinalswagen
erinnerte ihn an ſeinen Verſtoß. Von Tivoli her
rollten Caroſſen und leichtere Fuhrwerke voll Frem¬
der, die es gelüſtet hatte, die Berge und Cascaden
im Schnee zu ſehen. Er warf keinen Blick auf die
zierlichen Geſichter der jungen Engländerinnen, mit
deren blauen Schleiern die Tramontane ſpielte. Ha¬
ſtig bog er von der Straße ab, links einen Feldweg
hinein, der erſt Mühlen und Schenken vorüber lief
und dann mitten in die Wildniß der Campagne hin¬
aus führte.

Nun ſtand er einen Augenblick, tief athmend, und
genoß die Freiheit des weiten winterlichen Himmels.
Die gedämpfte Sonne ſchien röthlich herüber, hauchte
die Trümmer der Waſſerleitung an und färbte den

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[128/0140] Gegen den Abend, als der Wind ſtärker wurde, ſchritt ein Mann durch die Porta Pia und wanderte den Fahrweg zwiſchen den Landhäuſern hin. Der Man¬ tel hing ihm nachläſſig um die ſtarken Schultern und der breite graue Hut ſaß tief im Nacken. Er ſah nach den Bergen hinüber, bis der Weg tiefer ward und nur ein geringes Stück der Ferne zwiſchen den Gartenmauern durchblickte. Die Enge ſchien ihn zu beklemmen. Er verlor ſich wieder unmuthig in ſeine Gedanken, denen zu entrinnen er das Freie geſucht hatte. Eine ſtattliche Eminenz trippelte mit ihrem Gefolge an ihm vorbei, ohne daß er ſie gewahrte und grüßte. Erſt der nachfahrende Cardinalswagen erinnerte ihn an ſeinen Verſtoß. Von Tivoli her rollten Caroſſen und leichtere Fuhrwerke voll Frem¬ der, die es gelüſtet hatte, die Berge und Cascaden im Schnee zu ſehen. Er warf keinen Blick auf die zierlichen Geſichter der jungen Engländerinnen, mit deren blauen Schleiern die Tramontane ſpielte. Ha¬ ſtig bog er von der Straße ab, links einen Feldweg hinein, der erſt Mühlen und Schenken vorüber lief und dann mitten in die Wildniß der Campagne hin¬ aus führte. Nun ſtand er einen Augenblick, tief athmend, und genoß die Freiheit des weiten winterlichen Himmels. Die gedämpfte Sonne ſchien röthlich herüber, hauchte die Trümmer der Waſſerleitung an und färbte den

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/140>, abgerufen am 18.12.2024.