Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Er reichte es ihr, aber sie stand noch immer und
schien mit sich zu kämpfen. Endlich sagte sie: Du hast
auch deine Jacke eingebüßt um meinetwegen, und ich
weiß, daß das Geld für die Orangen darin steckte.
Es fiel mir Alles erst unterwegs ein. Ich kann dir's
nicht so wieder ersetzen, denn wir haben es nicht, und
wenn wir's hätten, gehört' es der Mutter. Aber da
hab' ich das silberne Kreuz, das mir der Maler auf
den Tisch legte, als er das letzte Mal bei uns war.
Ich hab' es seitdem nicht angesehn und mag es nicht
länger im Kasten haben. Wenn du es verkaufst -- es
ist wohl ein paar Piaster werth, sagte damals die
Mutter --, so wäre dir dein Schaden ersetzt, und was
fehlen sollte, will ich suchen mit Spinnen zu verdie¬
nen, Nachts, wenn die Mutter schläft.

Ich nehme nichts, sagte er kurz und schob das
blanke Kreuzchen zurück, das sie aus der Tasche ge¬
holt hatte.

Du mußt's nehmen, sagte sie. Wer weiß, wie lang
du mit dieser Hand nichts verdienen kannst. Da
liegt's und ich will's nie wieder sehn mit meinen Augen.

So wirf es ins Meer.

Es ist ja kein Geschenk, was ich dir mache; es ist
nicht mehr als dein gutes Recht und was dir zukommt.

Recht? Ich habe kein Recht auf irgend was von
dir. Wenn du mir später einmal begegnen solltest,
thu mir den Gefallen und sieh mich nicht an, daß

Er reichte es ihr, aber ſie ſtand noch immer und
ſchien mit ſich zu kämpfen. Endlich ſagte ſie: Du haſt
auch deine Jacke eingebüßt um meinetwegen, und ich
weiß, daß das Geld für die Orangen darin ſteckte.
Es fiel mir Alles erſt unterwegs ein. Ich kann dir's
nicht ſo wieder erſetzen, denn wir haben es nicht, und
wenn wir's hätten, gehört' es der Mutter. Aber da
hab' ich das ſilberne Kreuz, das mir der Maler auf
den Tiſch legte, als er das letzte Mal bei uns war.
Ich hab' es ſeitdem nicht angeſehn und mag es nicht
länger im Kaſten haben. Wenn du es verkaufſt — es
iſt wohl ein paar Piaſter werth, ſagte damals die
Mutter —, ſo wäre dir dein Schaden erſetzt, und was
fehlen ſollte, will ich ſuchen mit Spinnen zu verdie¬
nen, Nachts, wenn die Mutter ſchläft.

Ich nehme nichts, ſagte er kurz und ſchob das
blanke Kreuzchen zurück, das ſie aus der Taſche ge¬
holt hatte.

Du mußt's nehmen, ſagte ſie. Wer weiß, wie lang
du mit dieſer Hand nichts verdienen kannſt. Da
liegt's und ich will's nie wieder ſehn mit meinen Augen.

So wirf es ins Meer.

Es iſt ja kein Geſchenk, was ich dir mache; es iſt
nicht mehr als dein gutes Recht und was dir zukommt.

Recht? Ich habe kein Recht auf irgend was von
dir. Wenn du mir ſpäter einmal begegnen ſollteſt,
thu mir den Gefallen und ſieh mich nicht an, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0132" n="120"/>
        <p>Er reichte es ihr, aber &#x017F;ie &#x017F;tand noch immer und<lb/>
&#x017F;chien mit &#x017F;ich zu kämpfen. Endlich &#x017F;agte &#x017F;ie: Du ha&#x017F;t<lb/>
auch deine Jacke eingebüßt um meinetwegen, und ich<lb/>
weiß, daß das Geld für die Orangen darin &#x017F;teckte.<lb/>
Es fiel mir Alles er&#x017F;t unterwegs ein. Ich kann dir's<lb/>
nicht &#x017F;o wieder er&#x017F;etzen, denn wir haben es nicht, und<lb/>
wenn wir's hätten, gehört' es der Mutter. Aber da<lb/>
hab' ich das &#x017F;ilberne Kreuz, das mir der Maler auf<lb/>
den Ti&#x017F;ch legte, als er das letzte Mal bei uns war.<lb/>
Ich hab' es &#x017F;eitdem nicht ange&#x017F;ehn und mag es nicht<lb/>
länger im Ka&#x017F;ten haben. Wenn du es verkauf&#x017F;t &#x2014; es<lb/>
i&#x017F;t wohl ein paar Pia&#x017F;ter werth, &#x017F;agte damals die<lb/>
Mutter &#x2014;, &#x017F;o wäre dir dein Schaden er&#x017F;etzt, und was<lb/>
fehlen &#x017F;ollte, will ich &#x017F;uchen mit Spinnen zu verdie¬<lb/>
nen, Nachts, wenn die Mutter &#x017F;chläft.</p><lb/>
        <p>Ich nehme nichts, &#x017F;agte er kurz und &#x017F;chob das<lb/>
blanke Kreuzchen zurück, das &#x017F;ie aus der Ta&#x017F;che ge¬<lb/>
holt hatte.</p><lb/>
        <p>Du mußt's nehmen, &#x017F;agte &#x017F;ie. Wer weiß, wie lang<lb/>
du mit die&#x017F;er Hand nichts verdienen kann&#x017F;t. Da<lb/>
liegt's und ich will's nie wieder &#x017F;ehn mit meinen Augen.</p><lb/>
        <p>So wirf es ins Meer.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t ja kein Ge&#x017F;chenk, was ich dir mache; es i&#x017F;t<lb/>
nicht mehr als dein gutes Recht und was dir zukommt.</p><lb/>
        <p>Recht? Ich habe kein Recht auf irgend was von<lb/>
dir. Wenn du mir &#x017F;päter einmal begegnen &#x017F;ollte&#x017F;t,<lb/>
thu mir den Gefallen und &#x017F;ieh mich nicht an, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0132] Er reichte es ihr, aber ſie ſtand noch immer und ſchien mit ſich zu kämpfen. Endlich ſagte ſie: Du haſt auch deine Jacke eingebüßt um meinetwegen, und ich weiß, daß das Geld für die Orangen darin ſteckte. Es fiel mir Alles erſt unterwegs ein. Ich kann dir's nicht ſo wieder erſetzen, denn wir haben es nicht, und wenn wir's hätten, gehört' es der Mutter. Aber da hab' ich das ſilberne Kreuz, das mir der Maler auf den Tiſch legte, als er das letzte Mal bei uns war. Ich hab' es ſeitdem nicht angeſehn und mag es nicht länger im Kaſten haben. Wenn du es verkaufſt — es iſt wohl ein paar Piaſter werth, ſagte damals die Mutter —, ſo wäre dir dein Schaden erſetzt, und was fehlen ſollte, will ich ſuchen mit Spinnen zu verdie¬ nen, Nachts, wenn die Mutter ſchläft. Ich nehme nichts, ſagte er kurz und ſchob das blanke Kreuzchen zurück, das ſie aus der Taſche ge¬ holt hatte. Du mußt's nehmen, ſagte ſie. Wer weiß, wie lang du mit dieſer Hand nichts verdienen kannſt. Da liegt's und ich will's nie wieder ſehn mit meinen Augen. So wirf es ins Meer. Es iſt ja kein Geſchenk, was ich dir mache; es iſt nicht mehr als dein gutes Recht und was dir zukommt. Recht? Ich habe kein Recht auf irgend was von dir. Wenn du mir ſpäter einmal begegnen ſollteſt, thu mir den Gefallen und ſieh mich nicht an, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/132
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/132>, abgerufen am 18.12.2024.