Antonino sprang auf. Ich muß fort, sagte er. 's ist ein Mädchen aus Sorrent, das heut früh mit dem Signor Curato kam und auf die Nacht wieder zu ihrer kranken Mutter will.
Nun nun, 's ist noch lang bis Nacht, sagte der Fischer. Sie wird doch Zeit haben, ein Glas Wein zu trinken. Hola, Frau, bring noch ein Glas.
Ich danke, ich trinke nicht, sagte Laurella und blieb in einiger Entfernung.
Schenk nur ein, Frau, schenk ein! Sie läßt sich nöthigen.
Laßt sie, sagte der Bursch. Sie hat einen harten Kopf; was sie einmal nicht will, das redet ihr kein Heiliger ein. -- Und damit nahm er eilfertig Ab¬ schied, lief nach der Barke hinunter, lös'te das Seil und stand nun in Erwartung des Mädchens. Die grüßte noch einmal nach den Wirthen der Schenke zurück und ging dann mit zaudernden Schritten der Barke zu. Sie sah vorher nach allen Seiten um, als erwarte sie, daß sich noch andere Gesellschaft ein¬ finden würde. Die Marine aber war menschenleer; die Fischer schliefen oder fuhren im Meer mit Angeln und Netzen, wenige Frauen und Kinder saßen unter den Thüren, schlafend oder spinnend, und die Frem¬ den, die am Morgen herübergefahren, warteten die kühlere Tageszeit zur Rückfahrt ab. Sie konnte auch nicht zu lange umschauen, denn eh sie es wehren
Antonino ſprang auf. Ich muß fort, ſagte er. 's iſt ein Mädchen aus Sorrent, das heut früh mit dem Signor Curato kam und auf die Nacht wieder zu ihrer kranken Mutter will.
Nun nun, 's iſt noch lang bis Nacht, ſagte der Fiſcher. Sie wird doch Zeit haben, ein Glas Wein zu trinken. Hola, Frau, bring noch ein Glas.
Ich danke, ich trinke nicht, ſagte Laurella und blieb in einiger Entfernung.
Schenk nur ein, Frau, ſchenk ein! Sie läßt ſich nöthigen.
Laßt ſie, ſagte der Burſch. Sie hat einen harten Kopf; was ſie einmal nicht will, das redet ihr kein Heiliger ein. — Und damit nahm er eilfertig Ab¬ ſchied, lief nach der Barke hinunter, löſ'te das Seil und ſtand nun in Erwartung des Mädchens. Die grüßte noch einmal nach den Wirthen der Schenke zurück und ging dann mit zaudernden Schritten der Barke zu. Sie ſah vorher nach allen Seiten um, als erwarte ſie, daß ſich noch andere Geſellſchaft ein¬ finden würde. Die Marine aber war menſchenleer; die Fiſcher ſchliefen oder fuhren im Meer mit Angeln und Netzen, wenige Frauen und Kinder ſaßen unter den Thüren, ſchlafend oder ſpinnend, und die Frem¬ den, die am Morgen herübergefahren, warteten die kühlere Tageszeit zur Rückfahrt ab. Sie konnte auch nicht zu lange umſchauen, denn eh ſie es wehren
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Antonino ſprang auf. Ich muß fort, ſagte er.
's iſt ein Mädchen aus Sorrent, das heut früh mit
dem Signor Curato kam und auf die Nacht wieder
zu ihrer kranken Mutter will.
Nun nun, 's iſt noch lang bis Nacht, ſagte der
Fiſcher. Sie wird doch Zeit haben, ein Glas Wein
zu trinken. Hola, Frau, bring noch ein Glas.
Ich danke, ich trinke nicht, ſagte Laurella und
blieb in einiger Entfernung.
Schenk nur ein, Frau, ſchenk ein! Sie läßt ſich
nöthigen.
Laßt ſie, ſagte der Burſch. Sie hat einen harten
Kopf; was ſie einmal nicht will, das redet ihr kein
Heiliger ein. — Und damit nahm er eilfertig Ab¬
ſchied, lief nach der Barke hinunter, löſ'te das Seil
und ſtand nun in Erwartung des Mädchens. Die
grüßte noch einmal nach den Wirthen der Schenke
zurück und ging dann mit zaudernden Schritten der
Barke zu. Sie ſah vorher nach allen Seiten um,
als erwarte ſie, daß ſich noch andere Geſellſchaft ein¬
finden würde. Die Marine aber war menſchenleer;
die Fiſcher ſchliefen oder fuhren im Meer mit Angeln
und Netzen, wenige Frauen und Kinder ſaßen unter
den Thüren, ſchlafend oder ſpinnend, und die Frem¬
den, die am Morgen herübergefahren, warteten die
kühlere Tageszeit zur Rückfahrt ab. Sie konnte auch
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/119>, abgerufen am 25.07.2024.
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