Ich bleibe heut wohl lang auf Capri, sagte der Padre, und du brauchst nicht auf mich zu warten. Vielleicht komm' ich gar erst morgen nach Haus. Und du, Laurella, wenn du heimkommst, grüße die Mutter. Ich besuche euch in dieser Woche noch. Du fährst doch noch vor der Nacht zurück?
Wenn Gelegenheit ist, sagte das Mädchen und machte sich an ihrem Rock zu schaffen.
Du weißt, daß ich auch zurück muß, sprach An¬ tonino, wie er meinte in sehr gleichgültigem Ton. Ich wart' auf dich bis Ave Maria. Wenn du dann nicht kommst, soll mir's auch gleich sein.
Du mußt kommen, Laurella, fiel der kleine Herr ein. Du darfst deine Mutter keine Nacht allein las¬ sen. Ist's weit, wo du hin mußt?
Auf Anacapri, in eine Vigne.
Und ich muß auf Capri zu. Behüt dich Gott, Kind, und dich, mein Sohn.
Laurella küßte ihm die Hand und ließ ein Lebt¬ wohl fallen, in das sich der Padre und Antonino theilen mochten. Antonino indessen eignete sich's nicht zu. Er zog seine Mühe vor dem Padre und sah Laurella nicht an.
Als sie ihm aber beide den Rücken gekehrt hatten, ließ er seine Augen nur kurze Zeit mit dem geistlichen Herrn wandern, der über das tiefe Kieselgeröll müh¬ sam hinschritt, und schickte sie dann dem Mädchen
Ich bleibe heut wohl lang auf Capri, ſagte der Padre, und du brauchſt nicht auf mich zu warten. Vielleicht komm' ich gar erſt morgen nach Haus. Und du, Laurella, wenn du heimkommſt, grüße die Mutter. Ich beſuche euch in dieſer Woche noch. Du fährſt doch noch vor der Nacht zurück?
Wenn Gelegenheit iſt, ſagte das Mädchen und machte ſich an ihrem Rock zu ſchaffen.
Du weißt, daß ich auch zurück muß, ſprach An¬ tonino, wie er meinte in ſehr gleichgültigem Ton. Ich wart' auf dich bis Ave Maria. Wenn du dann nicht kommſt, ſoll mir's auch gleich ſein.
Du mußt kommen, Laurella, fiel der kleine Herr ein. Du darfſt deine Mutter keine Nacht allein laſ¬ ſen. Iſt's weit, wo du hin mußt?
Auf Anacapri, in eine Vigne.
Und ich muß auf Capri zu. Behüt dich Gott, Kind, und dich, mein Sohn.
Laurella küßte ihm die Hand und ließ ein Lebt¬ wohl fallen, in das ſich der Padre und Antonino theilen mochten. Antonino indeſſen eignete ſich's nicht zu. Er zog ſeine Mühe vor dem Padre und ſah Laurella nicht an.
Als ſie ihm aber beide den Rücken gekehrt hatten, ließ er ſeine Augen nur kurze Zeit mit dem geiſtlichen Herrn wandern, der über das tiefe Kieſelgeröll müh¬ ſam hinſchritt, und ſchickte ſie dann dem Mädchen
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Ich bleibe heut wohl lang auf Capri, ſagte der
Padre, und du brauchſt nicht auf mich zu warten.
Vielleicht komm' ich gar erſt morgen nach Haus. Und
du, Laurella, wenn du heimkommſt, grüße die Mutter.
Ich beſuche euch in dieſer Woche noch. Du fährſt
doch noch vor der Nacht zurück?
Wenn Gelegenheit iſt, ſagte das Mädchen und
machte ſich an ihrem Rock zu ſchaffen.
Du weißt, daß ich auch zurück muß, ſprach An¬
tonino, wie er meinte in ſehr gleichgültigem Ton.
Ich wart' auf dich bis Ave Maria. Wenn du dann
nicht kommſt, ſoll mir's auch gleich ſein.
Du mußt kommen, Laurella, fiel der kleine Herr
ein. Du darfſt deine Mutter keine Nacht allein laſ¬
ſen. Iſt's weit, wo du hin mußt?
Auf Anacapri, in eine Vigne.
Und ich muß auf Capri zu. Behüt dich Gott,
Kind, und dich, mein Sohn.
Laurella küßte ihm die Hand und ließ ein Lebt¬
wohl fallen, in das ſich der Padre und Antonino
theilen mochten. Antonino indeſſen eignete ſich's nicht
zu. Er zog ſeine Mühe vor dem Padre und ſah
Laurella nicht an.
Als ſie ihm aber beide den Rücken gekehrt hatten,
ließ er ſeine Augen nur kurze Zeit mit dem geiſtlichen
Herrn wandern, der über das tiefe Kieſelgeröll müh¬
ſam hinſchritt, und ſchickte ſie dann dem Mädchen
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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/115>, abgerufen am 25.07.2024.
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