Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).Krieg. Der Verlauf dieses Krieges hat weiter gezeigt, daß die Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sind Krieg. Der Verlauf dieses Krieges hat weiter gezeigt, daß die Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0005" n="6"/> Krieg. Der Verlauf dieses Krieges hat weiter gezeigt, daß die<lb/> Völker und besonders die Frauen, wenn es in ihrer Macht stände,<lb/> das Kriegsende schneller als die Regierungen herbeiführen würden.<lb/> Weil sie mehr als diese unter der Last, der Not und dem Elend<lb/> leiden, sind sie eher zur Wiederanbahnung des Friedens geneigt.<lb/> Aus diesen Tatsachen ergibt sich, daß man die Vermeidung oder<lb/> Abkürzung von Kriegen durch eine Demokratisierung der Re-<lb/> gierungsform erzielen kann und daß diese deshalb von den Pazi-<lb/> fisten anzustreben ist. Unvereinbar mit der Demokratisierung der<lb/> Regierungsform ist die weitere Ausschaltung der einen Hälfte der<lb/> Völker, der Frauen, von der politischen Gleichberechtigung, obwohl<lb/> sie fast von allen Pazifisten als selbstverständlich vorausgesetzt wird.<lb/> Wenn die Vermeidung von Kriegen in Zukunft erreicht werden<lb/> soll, kann auf die Stimme der Frauen nicht länger verzichtet wer-<lb/> den. Die Frauen befinden sich in einer durch ihr Geschlecht be-<lb/> dingten ständigen Abwehr dem Kriege gegenüber, deshalb sind sie<lb/> in erster Linie berufen, den Völkern die Wege zu dauerndem<lb/> Frieden zu weisen.</p><lb/> <p>Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sind<lb/> die verschiedenen Eigenschaften der Menschen, von denen viele be-<lb/> haupten, sie seien spezifisch männlich oder spezifisch weiblich, weder<lb/> das eine noch das andere, sondern sie sind rein individuell. Aber<lb/> in einem unterscheidet sich die Frau vom Manne: in ihrer Emp-<lb/> findung dem schaffenden Leben gegenüber. Durch die Erschaffung<lb/> des neuen Menschen, durch die körperliche Gemeinschaft mit dem<lb/> Kinde, durch die täglich sich wiederholende Sorge und Mühe für<lb/> das Kind, bis es geistig und körperlich herangereift ist, ist das Ver-<lb/> hältnis der Mutter zum Kinde ein anderes, als das des Vaters.<lb/> Diese besondere leibliche und dadurch auch geistige Gemeinschaft der<lb/> Frau mit dem Kinde findet nicht etwa, wie in der Tierwelt, durch<lb/> das Erwachsensein des Kindes seinen Abschluß, sondern dauert bis<lb/> zum Tode fort. Das Weib, Urquell alles Lebens, bewertet die<lb/> Mühen, Leben zu schaffen, ganz anders als der Mann, und aus<lb/> dieser anderen Wertschätzung und Empfindung heraus muß auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0005]
Krieg. Der Verlauf dieses Krieges hat weiter gezeigt, daß die
Völker und besonders die Frauen, wenn es in ihrer Macht stände,
das Kriegsende schneller als die Regierungen herbeiführen würden.
Weil sie mehr als diese unter der Last, der Not und dem Elend
leiden, sind sie eher zur Wiederanbahnung des Friedens geneigt.
Aus diesen Tatsachen ergibt sich, daß man die Vermeidung oder
Abkürzung von Kriegen durch eine Demokratisierung der Re-
gierungsform erzielen kann und daß diese deshalb von den Pazi-
fisten anzustreben ist. Unvereinbar mit der Demokratisierung der
Regierungsform ist die weitere Ausschaltung der einen Hälfte der
Völker, der Frauen, von der politischen Gleichberechtigung, obwohl
sie fast von allen Pazifisten als selbstverständlich vorausgesetzt wird.
Wenn die Vermeidung von Kriegen in Zukunft erreicht werden
soll, kann auf die Stimme der Frauen nicht länger verzichtet wer-
den. Die Frauen befinden sich in einer durch ihr Geschlecht be-
dingten ständigen Abwehr dem Kriege gegenüber, deshalb sind sie
in erster Linie berufen, den Völkern die Wege zu dauerndem
Frieden zu weisen.
Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sind
die verschiedenen Eigenschaften der Menschen, von denen viele be-
haupten, sie seien spezifisch männlich oder spezifisch weiblich, weder
das eine noch das andere, sondern sie sind rein individuell. Aber
in einem unterscheidet sich die Frau vom Manne: in ihrer Emp-
findung dem schaffenden Leben gegenüber. Durch die Erschaffung
des neuen Menschen, durch die körperliche Gemeinschaft mit dem
Kinde, durch die täglich sich wiederholende Sorge und Mühe für
das Kind, bis es geistig und körperlich herangereift ist, ist das Ver-
hältnis der Mutter zum Kinde ein anderes, als das des Vaters.
Diese besondere leibliche und dadurch auch geistige Gemeinschaft der
Frau mit dem Kinde findet nicht etwa, wie in der Tierwelt, durch
das Erwachsensein des Kindes seinen Abschluß, sondern dauert bis
zum Tode fort. Das Weib, Urquell alles Lebens, bewertet die
Mühen, Leben zu schaffen, ganz anders als der Mann, und aus
dieser anderen Wertschätzung und Empfindung heraus muß auch
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(2017-10-19T08:47:15Z)
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