Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].recht spielen ließ, weil sie gar zu prächtig waren. Ja, es wollte Dorothee sogar scheinen, als müsse solch eine Überfülle von Glanz und Schönheit beinahe ein bißchen sündhaft sein. Sie hätte dieses undeutliche Empfinden wahrscheinlich nicht laut in Worte zu fassen vermocht - es war nur, als mahne so in ihrem Innern eine leise Stimme, die aus weiten Fernen zu kommen schien. Denn in dieser Nachkommin jener harten, alten Geschlechter, die vor Jahrhunderten mit den Deutschordensrittern in das wilde Land gekommen waren, und sich hier unter Mühsal und Entbehrungen ihre Lebensbedingungen erkämpft hatten, in ihr mußte wohl, ohne daß sie sich dessen recht bewußt gewesen, ein kleiner Zug von Strenge und puritanischer Selbstzucht liegen. Aber dabei stammte Dorothee doch auch von jenem anderen, ganz verschieden gearteten Ahnherrn ab, der die Wandgemälde des Märchensaales in erinnernder Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, einst hatte ausführen lassen, und durch ein in ihren Adern rollendes Tröpfchen seines Blutes kam es wohl, daß die geheimnisvolle Welt des Märchensaales sie doch mit tausend Lockungen rief und anzog. Immer aber blieb sie ihr im Gegensatz zum ganzen übrigen Burkahnen ein klein wenig unheimlich und fremd. Alles andere dort war ihr eigen, war eigentlich sie selbst. Es würde ihr ja auch alles einstmals gehören. Niemand hatte ihr das gesagt, und doch wußte sie es schon als Kind, ganz von selbst. Ja, leben und in Burkahnen sein war im Grunde ein und dasselbe. Und bis zu ihrem achtzehnten Jahre blieb sie auch, recht spielen ließ, weil sie gar zu prächtig waren. Ja, es wollte Dorothee sogar scheinen, als müsse solch eine Überfülle von Glanz und Schönheit beinahe ein bißchen sündhaft sein. Sie hätte dieses undeutliche Empfinden wahrscheinlich nicht laut in Worte zu fassen vermocht – es war nur, als mahne so in ihrem Innern eine leise Stimme, die aus weiten Fernen zu kommen schien. Denn in dieser Nachkommin jener harten, alten Geschlechter, die vor Jahrhunderten mit den Deutschordensrittern in das wilde Land gekommen waren, und sich hier unter Mühsal und Entbehrungen ihre Lebensbedingungen erkämpft hatten, in ihr mußte wohl, ohne daß sie sich dessen recht bewußt gewesen, ein kleiner Zug von Strenge und puritanischer Selbstzucht liegen. Aber dabei stammte Dorothee doch auch von jenem anderen, ganz verschieden gearteten Ahnherrn ab, der die Wandgemälde des Märchensaales in erinnernder Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, einst hatte ausführen lassen, und durch ein in ihren Adern rollendes Tröpfchen seines Blutes kam es wohl, daß die geheimnisvolle Welt des Märchensaales sie doch mit tausend Lockungen rief und anzog. Immer aber blieb sie ihr im Gegensatz zum ganzen übrigen Burkahnen ein klein wenig unheimlich und fremd. Alles andere dort war ihr eigen, war eigentlich sie selbst. Es würde ihr ja auch alles einstmals gehören. Niemand hatte ihr das gesagt, und doch wußte sie es schon als Kind, ganz von selbst. Ja, leben und in Burkahnen sein war im Grunde ein und dasselbe. Und bis zu ihrem achtzehnten Jahre blieb sie auch, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="76"/> recht spielen ließ, weil sie gar zu prächtig waren. Ja, es wollte Dorothee sogar scheinen, als müsse solch eine Überfülle von Glanz und Schönheit beinahe ein bißchen sündhaft sein. Sie hätte dieses undeutliche Empfinden wahrscheinlich nicht laut in Worte zu fassen vermocht – es war nur, als mahne so in ihrem Innern eine leise Stimme, die aus weiten Fernen zu kommen schien. Denn in dieser Nachkommin jener harten, alten Geschlechter, die vor Jahrhunderten mit den Deutschordensrittern in das wilde Land gekommen waren, und sich hier unter Mühsal und Entbehrungen ihre Lebensbedingungen erkämpft hatten, in ihr mußte wohl, ohne daß sie sich dessen recht bewußt gewesen, ein kleiner Zug von Strenge und puritanischer Selbstzucht liegen. Aber dabei stammte Dorothee doch auch von jenem anderen, ganz verschieden gearteten Ahnherrn ab, der die Wandgemälde des Märchensaales in erinnernder Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, einst hatte ausführen lassen, und durch ein in ihren Adern rollendes Tröpfchen seines Blutes kam es wohl, daß die geheimnisvolle Welt des Märchensaales sie doch mit tausend Lockungen rief und anzog. Immer aber blieb sie ihr im Gegensatz zum ganzen übrigen Burkahnen ein klein wenig unheimlich und fremd.</p> <p>Alles andere dort war ihr eigen, war eigentlich sie selbst. Es würde ihr ja auch alles einstmals gehören. Niemand hatte ihr das gesagt, und doch wußte sie es schon als Kind, ganz von selbst. Ja, leben und in Burkahnen sein war im Grunde ein und dasselbe.</p> <p>Und bis zu ihrem achtzehnten Jahre blieb sie auch, </p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0078]
recht spielen ließ, weil sie gar zu prächtig waren. Ja, es wollte Dorothee sogar scheinen, als müsse solch eine Überfülle von Glanz und Schönheit beinahe ein bißchen sündhaft sein. Sie hätte dieses undeutliche Empfinden wahrscheinlich nicht laut in Worte zu fassen vermocht – es war nur, als mahne so in ihrem Innern eine leise Stimme, die aus weiten Fernen zu kommen schien. Denn in dieser Nachkommin jener harten, alten Geschlechter, die vor Jahrhunderten mit den Deutschordensrittern in das wilde Land gekommen waren, und sich hier unter Mühsal und Entbehrungen ihre Lebensbedingungen erkämpft hatten, in ihr mußte wohl, ohne daß sie sich dessen recht bewußt gewesen, ein kleiner Zug von Strenge und puritanischer Selbstzucht liegen. Aber dabei stammte Dorothee doch auch von jenem anderen, ganz verschieden gearteten Ahnherrn ab, der die Wandgemälde des Märchensaales in erinnernder Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, einst hatte ausführen lassen, und durch ein in ihren Adern rollendes Tröpfchen seines Blutes kam es wohl, daß die geheimnisvolle Welt des Märchensaales sie doch mit tausend Lockungen rief und anzog. Immer aber blieb sie ihr im Gegensatz zum ganzen übrigen Burkahnen ein klein wenig unheimlich und fremd.
Alles andere dort war ihr eigen, war eigentlich sie selbst. Es würde ihr ja auch alles einstmals gehören. Niemand hatte ihr das gesagt, und doch wußte sie es schon als Kind, ganz von selbst. Ja, leben und in Burkahnen sein war im Grunde ein und dasselbe.
Und bis zu ihrem achtzehnten Jahre blieb sie auch,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-15T09:32:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-15T09:32:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |