Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ein paar Wochen bevorstehend angekündigt. Der nächste Montag ward festgesetzt für die Ausführung des gefährlichen Planes.

So waren Williams und Betty noch nie zusammengetroffen, wie an diesem Sonnabende. Ihr Betragen, so zärtlich sie es auch einzurichten strebte, um sich nicht zu verrathen, hatte die Spannung, welche verstellter Aeußerung jederzeit eigen ist. Seine Stimmung war ungewöhnlich weich und wehmüthig, ja man durfte sie ahnungsvoll nennen. -- Es folgte ein trüber Sonntag. Man hatte bemerkt, daß Williams' Auge sich häufig mit Thränen füllte, wenn er, wie er wähnte, unbemerkt, seiner Gattin mit den Blicken folgte, die ausgelassen lustig schien.

Der unselige Montag war angebrochen. Williams konnte kaum enden, von Betty Abschied zu nehmen. Diese wurde dadurch erweicht, und ihr guter Geist gab ihr folgende Worte ein: Es ist eine Vorbedeutung, daß wir uns heute so schwer von einander trennen. Gehe nicht von mir, theurer John. Gieb schon heute eine Lebensweise auf, die du in Kurzem doch ablegen willst. Bleibe von heute an bei mir, und laß uns alles Gerede der Welt verachten, welche deine Art zu sein so arg beurtheilt.

Williams' Rührung schien einem bittern Gefühle Platz zu machen. Thut das die Welt? rief er höhnisch; nun so wäre es unhöflich, sie eines so feinen Genusses, als die lieblose Verleumdung ihr ist,

ein paar Wochen bevorstehend angekündigt. Der nächste Montag ward festgesetzt für die Ausführung des gefährlichen Planes.

So waren Williams und Betty noch nie zusammengetroffen, wie an diesem Sonnabende. Ihr Betragen, so zärtlich sie es auch einzurichten strebte, um sich nicht zu verrathen, hatte die Spannung, welche verstellter Aeußerung jederzeit eigen ist. Seine Stimmung war ungewöhnlich weich und wehmüthig, ja man durfte sie ahnungsvoll nennen. — Es folgte ein trüber Sonntag. Man hatte bemerkt, daß Williams' Auge sich häufig mit Thränen füllte, wenn er, wie er wähnte, unbemerkt, seiner Gattin mit den Blicken folgte, die ausgelassen lustig schien.

Der unselige Montag war angebrochen. Williams konnte kaum enden, von Betty Abschied zu nehmen. Diese wurde dadurch erweicht, und ihr guter Geist gab ihr folgende Worte ein: Es ist eine Vorbedeutung, daß wir uns heute so schwer von einander trennen. Gehe nicht von mir, theurer John. Gieb schon heute eine Lebensweise auf, die du in Kurzem doch ablegen willst. Bleibe von heute an bei mir, und laß uns alles Gerede der Welt verachten, welche deine Art zu sein so arg beurtheilt.

Williams' Rührung schien einem bittern Gefühle Platz zu machen. Thut das die Welt? rief er höhnisch; nun so wäre es unhöflich, sie eines so feinen Genusses, als die lieblose Verleumdung ihr ist,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0050"/>
ein paar                Wochen bevorstehend angekündigt. Der nächste Montag ward festgesetzt für die                Ausführung des gefährlichen Planes.</p><lb/>
        <p>So waren Williams und Betty noch nie zusammengetroffen, wie an diesem Sonnabende. Ihr                Betragen, so zärtlich sie es auch einzurichten strebte, um sich nicht zu verrathen,                hatte die Spannung, welche verstellter Aeußerung jederzeit eigen ist. Seine Stimmung                war ungewöhnlich weich und wehmüthig, ja man durfte sie ahnungsvoll nennen. &#x2014; Es                folgte ein trüber Sonntag. Man hatte bemerkt, daß Williams' Auge sich häufig mit                Thränen füllte, wenn er, wie er wähnte, unbemerkt, seiner Gattin mit den Blicken                folgte, die ausgelassen lustig schien.</p><lb/>
        <p>Der unselige Montag war angebrochen. Williams konnte kaum enden, von Betty Abschied                zu nehmen. Diese wurde dadurch erweicht, und ihr guter Geist gab ihr folgende Worte                ein: Es ist eine Vorbedeutung, daß wir uns heute so schwer von einander trennen.                Gehe nicht von mir, theurer John. Gieb schon heute eine Lebensweise auf, die du in                Kurzem doch ablegen willst. Bleibe von heute an bei mir, und laß uns alles Gerede der                Welt verachten, welche deine Art zu sein so arg beurtheilt.</p><lb/>
        <p>Williams' Rührung schien einem bittern Gefühle Platz zu machen. Thut das die Welt?                rief er höhnisch; nun so wäre es unhöflich, sie eines so feinen Genusses, als die                lieblose Verleumdung ihr ist,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0050] ein paar Wochen bevorstehend angekündigt. Der nächste Montag ward festgesetzt für die Ausführung des gefährlichen Planes. So waren Williams und Betty noch nie zusammengetroffen, wie an diesem Sonnabende. Ihr Betragen, so zärtlich sie es auch einzurichten strebte, um sich nicht zu verrathen, hatte die Spannung, welche verstellter Aeußerung jederzeit eigen ist. Seine Stimmung war ungewöhnlich weich und wehmüthig, ja man durfte sie ahnungsvoll nennen. — Es folgte ein trüber Sonntag. Man hatte bemerkt, daß Williams' Auge sich häufig mit Thränen füllte, wenn er, wie er wähnte, unbemerkt, seiner Gattin mit den Blicken folgte, die ausgelassen lustig schien. Der unselige Montag war angebrochen. Williams konnte kaum enden, von Betty Abschied zu nehmen. Diese wurde dadurch erweicht, und ihr guter Geist gab ihr folgende Worte ein: Es ist eine Vorbedeutung, daß wir uns heute so schwer von einander trennen. Gehe nicht von mir, theurer John. Gieb schon heute eine Lebensweise auf, die du in Kurzem doch ablegen willst. Bleibe von heute an bei mir, und laß uns alles Gerede der Welt verachten, welche deine Art zu sein so arg beurtheilt. Williams' Rührung schien einem bittern Gefühle Platz zu machen. Thut das die Welt? rief er höhnisch; nun so wäre es unhöflich, sie eines so feinen Genusses, als die lieblose Verleumdung ihr ist,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/50
Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/50>, abgerufen am 22.11.2024.