Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.So war es nicht gemeint, gab der Unbekannte zwar etwas milder, jedoch immer noch rauh und zurückstoßend zur Antwort. Ihr seid wackere Jungen, und obgleich mir die Worte "ich danke euch" den langen Tag hindurch so viel gelten als "ich spucke euch an", -- so danke ich euch doch mit besserem Gefühl. Ich könnte euch bezahlen für diese wackere That, und würde es gut, denn ihr rettetet mein Leben. Indeß ihr seid wohl noch ein Paar von den gutmüthigen Narren, die am liebsten etwas um Gotteswillen thun, und die immer seltener werden. -- Gott erhalte euch bei eurer Narrheit. Sie wird euch keine Schande machen, sondern der Welt, welche sie mißbraucht. Ich möchte Jedem von euch gern ein Andenken hinterlassen, aber ich besitze nur eins, und ihr seid zwei. Behalte es Der, welcher dem Schurken da das erste Blut aus dem Gesichte schlug. -- Nehmt, -- denkt dabei des Vorfalls, denkt aber nicht an mich. -- Wiedersehen sollt ihr mich, wiedererkennen niemals. Gott mit euch. -- Der Unbekannte hatte etwas an einer Schnur unter seinem Wammse hervorgezogen, es dem einen der jungen Leute auf den Finger geschoben, und war in dem Augenblicke, während die beiden Freunde sich verwundert ansahen, so spurlos verschwunden als ob die Erde ihn eingeschluckt. Diese waren durch den Handel so ergriffen und überrascht, daß sie nicht gleich Worte fanden, ihre Gedanken darüber auszutauschen, So war es nicht gemeint, gab der Unbekannte zwar etwas milder, jedoch immer noch rauh und zurückstoßend zur Antwort. Ihr seid wackere Jungen, und obgleich mir die Worte „ich danke euch“ den langen Tag hindurch so viel gelten als „ich spucke euch an“, — so danke ich euch doch mit besserem Gefühl. Ich könnte euch bezahlen für diese wackere That, und würde es gut, denn ihr rettetet mein Leben. Indeß ihr seid wohl noch ein Paar von den gutmüthigen Narren, die am liebsten etwas um Gotteswillen thun, und die immer seltener werden. — Gott erhalte euch bei eurer Narrheit. Sie wird euch keine Schande machen, sondern der Welt, welche sie mißbraucht. Ich möchte Jedem von euch gern ein Andenken hinterlassen, aber ich besitze nur eins, und ihr seid zwei. Behalte es Der, welcher dem Schurken da das erste Blut aus dem Gesichte schlug. — Nehmt, — denkt dabei des Vorfalls, denkt aber nicht an mich. — Wiedersehen sollt ihr mich, wiedererkennen niemals. Gott mit euch. — Der Unbekannte hatte etwas an einer Schnur unter seinem Wammse hervorgezogen, es dem einen der jungen Leute auf den Finger geschoben, und war in dem Augenblicke, während die beiden Freunde sich verwundert ansahen, so spurlos verschwunden als ob die Erde ihn eingeschluckt. Diese waren durch den Handel so ergriffen und überrascht, daß sie nicht gleich Worte fanden, ihre Gedanken darüber auszutauschen, <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0014"/> <p>So war es nicht gemeint, gab der Unbekannte zwar etwas milder, jedoch immer noch rauh und zurückstoßend zur Antwort. Ihr seid wackere Jungen, und obgleich mir die Worte „ich danke euch“ den langen Tag hindurch so viel gelten als „ich spucke euch an“, — so danke ich euch doch mit besserem Gefühl. Ich könnte euch bezahlen für diese wackere That, und würde es gut, denn ihr rettetet mein Leben. Indeß ihr seid wohl noch ein Paar von den gutmüthigen Narren, die am liebsten etwas um Gotteswillen thun, und die immer seltener werden. — Gott erhalte euch bei eurer Narrheit. Sie wird euch keine Schande machen, sondern der Welt, welche sie mißbraucht. Ich möchte Jedem von euch gern ein Andenken hinterlassen, aber ich besitze nur eins, und ihr seid zwei. Behalte es Der, welcher dem Schurken da das erste Blut aus dem Gesichte schlug. — Nehmt, — denkt dabei des Vorfalls, denkt aber nicht an mich. — Wiedersehen sollt ihr mich, wiedererkennen niemals. Gott mit euch. —</p><lb/> <p>Der Unbekannte hatte etwas an einer Schnur unter seinem Wammse hervorgezogen, es dem einen der jungen Leute auf den Finger geschoben, und war in dem Augenblicke, während die beiden Freunde sich verwundert ansahen, so spurlos verschwunden als ob die Erde ihn eingeschluckt. Diese waren durch den Handel so ergriffen und überrascht, daß sie nicht gleich Worte fanden, ihre Gedanken darüber auszutauschen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
So war es nicht gemeint, gab der Unbekannte zwar etwas milder, jedoch immer noch rauh und zurückstoßend zur Antwort. Ihr seid wackere Jungen, und obgleich mir die Worte „ich danke euch“ den langen Tag hindurch so viel gelten als „ich spucke euch an“, — so danke ich euch doch mit besserem Gefühl. Ich könnte euch bezahlen für diese wackere That, und würde es gut, denn ihr rettetet mein Leben. Indeß ihr seid wohl noch ein Paar von den gutmüthigen Narren, die am liebsten etwas um Gotteswillen thun, und die immer seltener werden. — Gott erhalte euch bei eurer Narrheit. Sie wird euch keine Schande machen, sondern der Welt, welche sie mißbraucht. Ich möchte Jedem von euch gern ein Andenken hinterlassen, aber ich besitze nur eins, und ihr seid zwei. Behalte es Der, welcher dem Schurken da das erste Blut aus dem Gesichte schlug. — Nehmt, — denkt dabei des Vorfalls, denkt aber nicht an mich. — Wiedersehen sollt ihr mich, wiedererkennen niemals. Gott mit euch. —
Der Unbekannte hatte etwas an einer Schnur unter seinem Wammse hervorgezogen, es dem einen der jungen Leute auf den Finger geschoben, und war in dem Augenblicke, während die beiden Freunde sich verwundert ansahen, so spurlos verschwunden als ob die Erde ihn eingeschluckt. Diese waren durch den Handel so ergriffen und überrascht, daß sie nicht gleich Worte fanden, ihre Gedanken darüber auszutauschen,
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Zitationshilfe: | Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/14>, abgerufen am 16.07.2024. |