Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.Wenn wir Bauten ausführen wollen, werden wir nicht Unseren niedersten wirthschaftlichen Schichten folgen allmälig Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne, und kämpfe Die Juden, welche sich zu unserer Staatsidee bekennen, Zeigen sich nun die Mächte bereit, dem Judenvolke die Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten Wenn wir Bauten ausführen wollen, werden wir nicht Unseren niedersten wirthschaftlichen Schichten folgen allmälig Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne, und kämpfe Die Juden, welche sich zu unserer Staatsidee bekennen, Zeigen sich nun die Mächte bereit, dem Judenvolke die Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0028"/> <p>Wenn wir Bauten ausführen wollen, werden wir nicht<lb/> hilflose Pfahlbauten an einen Seerand stecken, sondern wir<lb/> werden bauen, wie man es jetzt thut. Wir werden kühner und<lb/> herrlicher bauen, als es je vorher geschehen ist. Denn wir<lb/> haben Mittel, die in der Geschichte noch nicht da waren.<lb/></p> <p>Unseren niedersten wirthschaftlichen Schichten folgen allmälig<lb/> die nächsthöheren hinüber. Die jetzt am Verzweifeln<lb/> sind, gehen zuerst. Sie werden geführt von unserer überall<lb/> verfolgten mittleren Intelligenz, die wir überproduciren.<lb/></p> <p>Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift<lb/> zur allgemeinen Discussion gestellt werden. Das heisst aber<lb/> nicht, dass eine Abstimmung eingeleitet wird. Dabei wäre die<lb/> Sache von vorneherein verloren. Wer nicht mit will, mag da<lb/> bleiben. Der Widerspruch einzelner Individuen ist gleichgiltig.<lb/></p> <p>Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne, und kämpfe<lb/> für sie in Wort, Schrift und That.<lb/></p> <p>Die Juden, welche sich zu unserer Staatsidee bekennen,<lb/> sammeln sich um die Society of Jews. Diese erhält dadurch<lb/> den Regierungen gegenüber die Autorität, im Namen der Juden<lb/> sprechen und verhandeln zu dürfen. Die Society wird, um es<lb/> in einer völkerrechtlichen Analogie zu sagen, als staatbildende<lb/> Macht anerkannt. Und damit wäre der Staat auch schon gebildet.<lb/></p> <p>Zeigen sich nun die Mächte bereit, dem Judenvolke die<lb/> Souveränetät eines neutralen Landes zu gewähren, so wird die<lb/> Society über das zu nehmende Land verhandeln. Zwei Gebiete<lb/> kommen in Betracht: Palästina und Argentinien. Bemerkenswerthe<lb/> Colonisirungsversuche haben auf diesen beiden Punkten<lb/> stattgefunden. Allerdings nach dem falschen Princip der allmäligen<lb/> Infiltration von Juden. Die Infiltration muss immer<lb/> schlecht enden. Denn es kommt regelmässig der Augenblick,<lb/> wo die Regierung auf Drängen der sich bedroht fühlenden Bevölkerung<lb/> den weiteren Zufluss von Juden absperrt. Die Auswanderung<lb/> hat folglich nur dann einen Sinn, wenn ihre Grundlage<lb/> unsere gesicherte Souveränetät ist.<lb/></p> <p>Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten<lb/> verhandeln, und zwar unter dem Protectorate der europäischen<lb/> Mächte, wenn diesen die Sache einleuchtet. Wir können der<lb/> jetzigen Landeshoheit ungeheure Vortheile gewähren, einen<lb/> Theil ihrer Staatsschulden übernehmen, Verkehrswege bauen,<lb/> die ja auch wir selbst benöthigen, und noch vieles andere.<lb/> Doch schon durch das Entstehen des Judenstaates gewinnen<lb/> die Nachbarländer, weil im Grossen wie im Kleinen die Cultur<lb/> eines Landstriches den Werth der Umgebung erhöht.<lb/></p> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Wenn wir Bauten ausführen wollen, werden wir nicht
hilflose Pfahlbauten an einen Seerand stecken, sondern wir
werden bauen, wie man es jetzt thut. Wir werden kühner und
herrlicher bauen, als es je vorher geschehen ist. Denn wir
haben Mittel, die in der Geschichte noch nicht da waren.
Unseren niedersten wirthschaftlichen Schichten folgen allmälig
die nächsthöheren hinüber. Die jetzt am Verzweifeln
sind, gehen zuerst. Sie werden geführt von unserer überall
verfolgten mittleren Intelligenz, die wir überproduciren.
Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift
zur allgemeinen Discussion gestellt werden. Das heisst aber
nicht, dass eine Abstimmung eingeleitet wird. Dabei wäre die
Sache von vorneherein verloren. Wer nicht mit will, mag da
bleiben. Der Widerspruch einzelner Individuen ist gleichgiltig.
Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne, und kämpfe
für sie in Wort, Schrift und That.
Die Juden, welche sich zu unserer Staatsidee bekennen,
sammeln sich um die Society of Jews. Diese erhält dadurch
den Regierungen gegenüber die Autorität, im Namen der Juden
sprechen und verhandeln zu dürfen. Die Society wird, um es
in einer völkerrechtlichen Analogie zu sagen, als staatbildende
Macht anerkannt. Und damit wäre der Staat auch schon gebildet.
Zeigen sich nun die Mächte bereit, dem Judenvolke die
Souveränetät eines neutralen Landes zu gewähren, so wird die
Society über das zu nehmende Land verhandeln. Zwei Gebiete
kommen in Betracht: Palästina und Argentinien. Bemerkenswerthe
Colonisirungsversuche haben auf diesen beiden Punkten
stattgefunden. Allerdings nach dem falschen Princip der allmäligen
Infiltration von Juden. Die Infiltration muss immer
schlecht enden. Denn es kommt regelmässig der Augenblick,
wo die Regierung auf Drängen der sich bedroht fühlenden Bevölkerung
den weiteren Zufluss von Juden absperrt. Die Auswanderung
hat folglich nur dann einen Sinn, wenn ihre Grundlage
unsere gesicherte Souveränetät ist.
Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten
verhandeln, und zwar unter dem Protectorate der europäischen
Mächte, wenn diesen die Sache einleuchtet. Wir können der
jetzigen Landeshoheit ungeheure Vortheile gewähren, einen
Theil ihrer Staatsschulden übernehmen, Verkehrswege bauen,
die ja auch wir selbst benöthigen, und noch vieles andere.
Doch schon durch das Entstehen des Judenstaates gewinnen
die Nachbarländer, weil im Grossen wie im Kleinen die Cultur
eines Landstriches den Werth der Umgebung erhöht.
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Zitationshilfe: | Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/28>, abgerufen am 06.07.2024. |