[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843.Wohl viel hat uns der Tod genommen, Mehr noch das Leben uns geraubt; Doch drum, ihr Brüder, unbeklommen, Noch trägt die Freiheit stolz ihr Haubt! Uns blieb ihr Bild -- was liegt am Rahmen? Wen wird das schlechte Holz gereu'n? Laßt sie vergehn, die großen Namen! Sie werden kommen, wie sie kamen, Und neue Helden, neuen Samen In unsrer Todten Asche streu'n. Noch giebt's ja Prediger vom Berge,
Für die man schon die Dornen flicht, Doch freilich! dieß Geschlecht der Zwerge Verstehet ihre Sprüche nicht; Die tief im Witz begraben liegen, Die hohen Herrn verstummen hier -- Kein Bücken gilts mehr und kein Biegen, Die Freiheit ruft schon an den Wiegen: "In meinem Zeichen müßt ihr siegen!" In ihrem Zeichen siegen wir. Wohl viel hat uns der Tod genommen, Mehr noch das Leben uns geraubt; Doch drum, ihr Brüder, unbeklommen, Noch trägt die Freiheit ſtolz ihr Haubt! Uns blieb ihr Bild — was liegt am Rahmen? Wen wird das ſchlechte Holz gereu'n? Laßt ſie vergehn, die großen Namen! Sie werden kommen, wie ſie kamen, Und neue Helden, neuen Samen In unſrer Todten Aſche ſtreu'n. Noch giebt's ja Prediger vom Berge,
Für die man ſchon die Dornen flicht, Doch freilich! dieß Geſchlecht der Zwerge Verſtehet ihre Sprüche nicht; Die tief im Witz begraben liegen, Die hohen Herrn verſtummen hier — Kein Bücken gilts mehr und kein Biegen, Die Freiheit ruft ſchon an den Wiegen: „In meinem Zeichen müßt ihr ſiegen!“ In ihrem Zeichen ſiegen wir. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0046" n="36"/> <lg n="2"> <l>Wohl viel hat uns der Tod genommen,</l><lb/> <l>Mehr noch das Leben uns geraubt;</l><lb/> <l>Doch drum, ihr Brüder, unbeklommen,</l><lb/> <l>Noch trägt die Freiheit ſtolz ihr Haubt!</l><lb/> <l>Uns blieb ihr Bild — was liegt am Rahmen?</l><lb/> <l>Wen wird das ſchlechte Holz gereu'n?</l><lb/> <l>Laßt ſie vergehn, die großen Namen!</l><lb/> <l>Sie werden kommen, wie ſie kamen,</l><lb/> <l>Und neue Helden, neuen Samen</l><lb/> <l>In unſrer Todten Aſche ſtreu'n.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Noch giebt's ja Prediger vom Berge,</l><lb/> <l>Für die man ſchon die Dornen flicht,</l><lb/> <l>Doch freilich! dieß Geſchlecht der Zwerge</l><lb/> <l>Verſtehet ihre Sprüche nicht;</l><lb/> <l>Die tief im Witz begraben liegen,</l><lb/> <l>Die hohen Herrn verſtummen hier —</l><lb/> <l>Kein Bücken gilts mehr und kein Biegen,</l><lb/> <l>Die Freiheit ruft ſchon an den Wiegen:</l><lb/> <l>„In meinem Zeichen müßt ihr ſiegen!“</l><lb/> <l>In ihrem Zeichen ſiegen wir.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [36/0046]
Wohl viel hat uns der Tod genommen,
Mehr noch das Leben uns geraubt;
Doch drum, ihr Brüder, unbeklommen,
Noch trägt die Freiheit ſtolz ihr Haubt!
Uns blieb ihr Bild — was liegt am Rahmen?
Wen wird das ſchlechte Holz gereu'n?
Laßt ſie vergehn, die großen Namen!
Sie werden kommen, wie ſie kamen,
Und neue Helden, neuen Samen
In unſrer Todten Aſche ſtreu'n.
Noch giebt's ja Prediger vom Berge,
Für die man ſchon die Dornen flicht,
Doch freilich! dieß Geſchlecht der Zwerge
Verſtehet ihre Sprüche nicht;
Die tief im Witz begraben liegen,
Die hohen Herrn verſtummen hier —
Kein Bücken gilts mehr und kein Biegen,
Die Freiheit ruft ſchon an den Wiegen:
„In meinem Zeichen müßt ihr ſiegen!“
In ihrem Zeichen ſiegen wir.
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte02_1843/46>, abgerufen am 16.07.2024. |