[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843.Wiegt sich nicht auf krystallnem Stuhle Im Meer der Nereiden Schaar, Die sich ihr Schicksal Jahr um Jahr Abspinnt von goldner Spule? Lockt sie dich nicht, der Becher nicht von Thule, Das wilde Meer, der Freiheit Hohe-Schule, Lockt dich nicht die Gefahr? -- Das Meer wird uns vom Herzen spülen Den letzten Rost der Tyrannei, Sein Hauch die Ketten wehn entzwei Und unsre Wunden kühlen. O laßt den Sturm in euren Locken wühlen, Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen; Das Meer, das Meer macht frei! Kühn, wie der Adler kommt geflogen,
Nimmt der Gedanke dort den Lauf, Kühn blickt der Mann zum Mann hinauf, Den Rücken ungebogen. Noch schwebt der Geist des Schöpfers auf den Wogen, Und in den Furchen, die Columb gezogen, Geht Deutschlands Zukunft auf. Wiegt ſich nicht auf kryſtallnem Stuhle Im Meer der Nereïden Schaar, Die ſich ihr Schickſal Jahr um Jahr Abſpinnt von goldner Spule? Lockt ſie dich nicht, der Becher nicht von Thule, Das wilde Meer, der Freiheit Hohe-Schule, Lockt dich nicht die Gefahr? — Das Meer wird uns vom Herzen ſpülen Den letzten Roſt der Tyrannei, Sein Hauch die Ketten wehn entzwei Und unſre Wunden kühlen. O laßt den Sturm in euren Locken wühlen, Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen; Das Meer, das Meer macht frei! Kühn, wie der Adler kommt geflogen,
Nimmt der Gedanke dort den Lauf, Kühn blickt der Mann zum Mann hinauf, Den Rücken ungebogen. Noch ſchwebt der Geiſt des Schöpfers auf den Wogen, Und in den Furchen, die Columb gezogen, Geht Deutſchlands Zukunft auf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0039" n="29"/> <lg n="8"> <l>Wiegt ſich nicht auf kryſtallnem Stuhle</l><lb/> <l>Im Meer der Nereïden Schaar,</l><lb/> <l>Die ſich ihr Schickſal Jahr um Jahr</l><lb/> <l>Abſpinnt von goldner Spule?</l><lb/> <l>Lockt ſie dich nicht, der Becher nicht von Thule,</l><lb/> <l>Das wilde Meer, der Freiheit Hohe-Schule,</l><lb/> <l>Lockt dich nicht die Gefahr? —</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Das Meer wird uns vom Herzen ſpülen</l><lb/> <l>Den letzten Roſt der Tyrannei,</l><lb/> <l>Sein Hauch die Ketten wehn entzwei</l><lb/> <l>Und unſre Wunden kühlen.</l><lb/> <l>O laßt den Sturm in euren Locken wühlen,</l><lb/> <l>Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen;</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Das Meer</hi>, <hi rendition="#g">das Meer macht frei</hi>!</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Kühn, wie der Adler kommt geflogen,</l><lb/> <l>Nimmt der Gedanke dort den Lauf,</l><lb/> <l>Kühn blickt der Mann zum Mann hinauf,</l><lb/> <l>Den Rücken ungebogen.</l><lb/> <l>Noch ſchwebt der Geiſt des Schöpfers auf den Wogen,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Und in den Furchen</hi>, <hi rendition="#g">die Columb gezogen</hi>,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Geht Deutſchlands Zukunft auf</hi>.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [29/0039]
Wiegt ſich nicht auf kryſtallnem Stuhle
Im Meer der Nereïden Schaar,
Die ſich ihr Schickſal Jahr um Jahr
Abſpinnt von goldner Spule?
Lockt ſie dich nicht, der Becher nicht von Thule,
Das wilde Meer, der Freiheit Hohe-Schule,
Lockt dich nicht die Gefahr? —
Das Meer wird uns vom Herzen ſpülen
Den letzten Roſt der Tyrannei,
Sein Hauch die Ketten wehn entzwei
Und unſre Wunden kühlen.
O laßt den Sturm in euren Locken wühlen,
Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen;
Das Meer, das Meer macht frei!
Kühn, wie der Adler kommt geflogen,
Nimmt der Gedanke dort den Lauf,
Kühn blickt der Mann zum Mann hinauf,
Den Rücken ungebogen.
Noch ſchwebt der Geiſt des Schöpfers auf den Wogen,
Und in den Furchen, die Columb gezogen,
Geht Deutſchlands Zukunft auf.
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte02_1843/39>, abgerufen am 16.07.2024. |