[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843.Die Täuschung ward mir schnell benommen, Sie fällt vom Auge Stück für Stück; Ich bin so durstig hergekommen, Und kehre ohne Trunk zurück. Gern auf die Knie' wär' ich gesunken -- Sind eure Buden ein Altar? Nicht eine Flamme, nicht ein Funken, Wo des Jahrhunderts Krater war! Geschändet selbst die kalte Lave, In die so heilig Blut gethaut, Daß ihr nun, wie Neapels Sklave, Drauf eurer Wollust Reben baut! O nehmt sie fort, die Trikolore, Die eurer Väter Thaten sah, Und schreibet warnend an die Thore: "Hier ist der Freiheit Capua!" Die Täuſchung ward mir ſchnell benommen, Sie fällt vom Auge Stück für Stück; Ich bin ſo durſtig hergekommen, Und kehre ohne Trunk zurück. Gern auf die Knie' wär' ich geſunken — Sind eure Buden ein Altar? Nicht eine Flamme, nicht ein Funken, Wo des Jahrhunderts Krater war! Geſchändet ſelbſt die kalte Lave, In die ſo heilig Blut gethaut, Daß ihr nun, wie Neapels Sklave, Drauf eurer Wolluſt Reben baut! O nehmt ſie fort, die Trikolore, Die eurer Väter Thaten ſah, Und ſchreibet warnend an die Thore: „Hier iſt der Freiheit Capua!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0025" n="15"/> <lg n="3"> <l>Die Täuſchung ward mir ſchnell benommen,</l><lb/> <l>Sie fällt vom Auge Stück für Stück;</l><lb/> <l>Ich bin ſo durſtig hergekommen,</l><lb/> <l>Und kehre ohne Trunk zurück.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Gern auf die Knie' wär' ich geſunken —</l><lb/> <l>Sind eure Buden ein Altar?</l><lb/> <l>Nicht eine Flamme, nicht ein Funken,</l><lb/> <l>Wo des Jahrhunderts Krater war!</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Geſchändet ſelbſt die kalte Lave,</l><lb/> <l>In die ſo heilig Blut gethaut,</l><lb/> <l>Daß ihr nun, wie Neapels Sklave,</l><lb/> <l>Drauf eurer Wolluſt Reben baut!</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>O nehmt ſie fort, die Trikolore,</l><lb/> <l>Die eurer Väter Thaten ſah,</l><lb/> <l>Und ſchreibet warnend an die Thore:</l><lb/> <l>„Hier iſt der Freiheit Capua!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
Die Täuſchung ward mir ſchnell benommen,
Sie fällt vom Auge Stück für Stück;
Ich bin ſo durſtig hergekommen,
Und kehre ohne Trunk zurück.
Gern auf die Knie' wär' ich geſunken —
Sind eure Buden ein Altar?
Nicht eine Flamme, nicht ein Funken,
Wo des Jahrhunderts Krater war!
Geſchändet ſelbſt die kalte Lave,
In die ſo heilig Blut gethaut,
Daß ihr nun, wie Neapels Sklave,
Drauf eurer Wolluſt Reben baut!
O nehmt ſie fort, die Trikolore,
Die eurer Väter Thaten ſah,
Und ſchreibet warnend an die Thore:
„Hier iſt der Freiheit Capua!“
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 2. Zürich u. a., 1843, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte02_1843/25>, abgerufen am 16.07.2024. |