[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht, Wenn ausgerungen eines Tages Wetter, Der Mond ergießet sein versöhnend Licht, Und wär's auch über welke Rosenblätter! Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern, Fliegt meine Seele um in diesen Räumen; Wie in sich selbst, versenkte sie sich gern In aller Menschen tiefgeheimstes Träumen! Mein Schatten schleicht mir nach wie ein Spion,
Ich stehe still vor eines Kerkers Gitter. O Vaterland, dein zu getreuer Sohn, Er büßte seine Liebe bitter, bitter! Er schläft, -- und fühlt er, was man ihm geraubt? Träumt er vielleicht von seinen Eichenbäumen? Träumt er sich einen Siegerkranz um's Haubt? -- O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen! Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht, Wenn ausgerungen eines Tages Wetter, Der Mond ergießet ſein verſöhnend Licht, Und wär's auch über welke Roſenblätter! Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern, Fliegt meine Seele um in dieſen Räumen; Wie in ſich ſelbſt, verſenkte ſie ſich gern In aller Menſchen tiefgeheimſtes Träumen! Mein Schatten ſchleicht mir nach wie ein Spion,
Ich ſtehe ſtill vor eines Kerkers Gitter. O Vaterland, dein zu getreuer Sohn, Er büßte ſeine Liebe bitter, bitter! Er ſchläft, — und fühlt er, was man ihm geraubt? Träumt er vielleicht von ſeinen Eichenbäumen? Träumt er ſich einen Siegerkranz um's Haubt? — O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0099" n="93"/> <lg n="2"> <l>Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht,</l><lb/> <l>Wenn ausgerungen eines Tages Wetter,</l><lb/> <l>Der Mond ergießet ſein verſöhnend Licht,</l><lb/> <l>Und wär's auch über <hi rendition="#g">welke</hi> Roſenblätter!</l><lb/> <l>Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern,</l><lb/> <l>Fliegt meine Seele um in dieſen Räumen;</l><lb/> <l>Wie in ſich ſelbſt, verſenkte ſie ſich gern</l><lb/> <l>In aller Menſchen tiefgeheimſtes Träumen!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Mein Schatten ſchleicht mir nach wie ein Spion,</l><lb/> <l>Ich ſtehe ſtill vor eines Kerkers Gitter.</l><lb/> <l>O Vaterland, dein zu getreuer Sohn,</l><lb/> <l>Er büßte ſeine Liebe bitter, bitter!</l><lb/> <l>Er ſchläft, — und fühlt er, was man ihm geraubt?</l><lb/> <l>Träumt er vielleicht von ſeinen Eichenbäumen?</l><lb/> <l>Träumt er ſich einen Siegerkranz um's Haubt? —</l><lb/> <l>O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [93/0099]
Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht,
Wenn ausgerungen eines Tages Wetter,
Der Mond ergießet ſein verſöhnend Licht,
Und wär's auch über welke Roſenblätter!
Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern,
Fliegt meine Seele um in dieſen Räumen;
Wie in ſich ſelbſt, verſenkte ſie ſich gern
In aller Menſchen tiefgeheimſtes Träumen!
Mein Schatten ſchleicht mir nach wie ein Spion,
Ich ſtehe ſtill vor eines Kerkers Gitter.
O Vaterland, dein zu getreuer Sohn,
Er büßte ſeine Liebe bitter, bitter!
Er ſchläft, — und fühlt er, was man ihm geraubt?
Träumt er vielleicht von ſeinen Eichenbäumen?
Träumt er ſich einen Siegerkranz um's Haubt? —
O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen!
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/99>, abgerufen am 16.07.2024. |