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[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

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Aus dem Nachtmalkelch der Freiheit laß uns wieder einmal schlürfen,
Baue wieder einen Altar, drauf wir uns dir opfern dürfen,
Breite vor uns einen Wahlplatz, einen Platz der Völkerwahl,
Aus dem Kerker, aus der Scheide sehnt sich wieder unser Stahl!
Ach! um jenes Sturms Verheissung hat der Frieden uns betrogen,
Und das goldne Schiff der Hoffnung, das als Wiege in die Wogen
Unter Klang und Sang gesteuert und so reiche Schätze barg,
Ruht gescheitert, schwarzbewimpelt in dem Hafen jetzt, ein Sarg.
Will mein Volk nun ewig klagend dieses morsche Wrack umstehen?
Soll in thatenlosen Seufzern seine beste Kraft verwehen?
Donnert nie durch seinen Himmel der Entscheidung scharfer Ton?
Wahrlich ein Despote zaudert nicht so lang am Rubikon!
Glaubet ihr, der Frieden werd' euch für des Hauses Freude bürgen?
Nur vernichten kann der Krieg uns, solch ein Frieden wird uns würgen!
In dem wilden Kampfgewühle mag es wohl ihr werden heiß,
Aber straucheln muß die Freiheit auf des Russen starrem Eis!
Aus dem Nachtmalkelch der Freiheit laß uns wieder einmal ſchlürfen,
Baue wieder einen Altar, drauf wir uns dir opfern dürfen,
Breite vor uns einen Wahlplatz, einen Platz der Völkerwahl,
Aus dem Kerker, aus der Scheide ſehnt ſich wieder unſer Stahl!
Ach! um jenes Sturms Verheiſſung hat der Frieden uns betrogen,
Und das goldne Schiff der Hoffnung, das als Wiege in die Wogen
Unter Klang und Sang geſteuert und ſo reiche Schätze barg,
Ruht geſcheitert, ſchwarzbewimpelt in dem Hafen jetzt, ein Sarg.
Will mein Volk nun ewig klagend dieſes morſche Wrack umſtehen?
Soll in thatenloſen Seufzern ſeine beſte Kraft verwehen?
Donnert nie durch ſeinen Himmel der Entſcheidung ſcharfer Ton?
Wahrlich ein Deſpote zaudert nicht ſo lang am Rubikon!
Glaubet ihr, der Frieden werd' euch für des Hauſes Freude bürgen?
Nur vernichten kann der Krieg uns, ſolch ein Frieden wird uns würgen!
In dem wilden Kampfgewühle mag es wohl ihr werden heiß,
Aber ſtraucheln muß die Freiheit auf des Ruſſen ſtarrem Eis!
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[27/0033] Aus dem Nachtmalkelch der Freiheit laß uns wieder einmal ſchlürfen, Baue wieder einen Altar, drauf wir uns dir opfern dürfen, Breite vor uns einen Wahlplatz, einen Platz der Völkerwahl, Aus dem Kerker, aus der Scheide ſehnt ſich wieder unſer Stahl! Ach! um jenes Sturms Verheiſſung hat der Frieden uns betrogen, Und das goldne Schiff der Hoffnung, das als Wiege in die Wogen Unter Klang und Sang geſteuert und ſo reiche Schätze barg, Ruht geſcheitert, ſchwarzbewimpelt in dem Hafen jetzt, ein Sarg. Will mein Volk nun ewig klagend dieſes morſche Wrack umſtehen? Soll in thatenloſen Seufzern ſeine beſte Kraft verwehen? Donnert nie durch ſeinen Himmel der Entſcheidung ſcharfer Ton? Wahrlich ein Deſpote zaudert nicht ſo lang am Rubikon! Glaubet ihr, der Frieden werd' euch für des Hauſes Freude bürgen? Nur vernichten kann der Krieg uns, ſolch ein Frieden wird uns würgen! In dem wilden Kampfgewühle mag es wohl ihr werden heiß, Aber ſtraucheln muß die Freiheit auf des Ruſſen ſtarrem Eis!

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Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/33>, abgerufen am 26.11.2024.