[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.XVI. Ich kann oft stundenlang am Strome stehen, Wenn ich entflohen aus der Menschen Bann; Er plaudert hier, wie ein erfahrner Mann, Der in der Welt sich tüchtig umgesehen. Da schildert er mir seiner Jugend Wehen, Wie er den Weg durch Klippen erst gewann, Ermattet drauf im Sande schier verrann, Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen. Wie wallt er doch so sicher seine Bahn! Bei allem Plänkeln, Hin- und Wiederstreifen Vergißt er nie: "Ich muß zum Ocean!" Du, Seele, nur willst in der Irre schweifen? O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran, Und lern' die Weisheit aus den Wassern greifen! XVI. Ich kann oft ſtundenlang am Strome ſtehen, Wenn ich entflohen aus der Menſchen Bann; Er plaudert hier, wie ein erfahrner Mann, Der in der Welt ſich tüchtig umgeſehen. Da ſchildert er mir ſeiner Jugend Wehen, Wie er den Weg durch Klippen erſt gewann, Ermattet drauf im Sande ſchier verrann, Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen. Wie wallt er doch ſo ſicher ſeine Bahn! Bei allem Plänkeln, Hin- und Wiederſtreifen Vergißt er nie: „Ich muß zum Ocean!“ Du, Seele, nur willſt in der Irre ſchweifen? O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran, Und lern' die Weisheit aus den Waſſern greifen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0152" n="146"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq #b">XVI.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich kann oft ſtundenlang am Strome ſtehen,</l><lb/> <l>Wenn ich entflohen aus der Menſchen Bann;</l><lb/> <l>Er plaudert hier, wie ein erfahrner Mann,</l><lb/> <l>Der in der Welt ſich tüchtig umgeſehen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Da ſchildert er mir ſeiner Jugend Wehen,</l><lb/> <l>Wie er den Weg durch Klippen erſt gewann,</l><lb/> <l>Ermattet drauf im Sande ſchier verrann,</l><lb/> <l>Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Wie wallt er doch ſo ſicher ſeine Bahn!</l><lb/> <l>Bei allem Plänkeln, Hin- und Wiederſtreifen</l><lb/> <l>Vergißt er nie: „Ich muß zum Ocean!“</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Du, Seele, nur willſt in der Irre ſchweifen?</l><lb/> <l>O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran,</l><lb/> <l>Und lern' die Weisheit aus den Waſſern greifen!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0152]
XVI.
Ich kann oft ſtundenlang am Strome ſtehen,
Wenn ich entflohen aus der Menſchen Bann;
Er plaudert hier, wie ein erfahrner Mann,
Der in der Welt ſich tüchtig umgeſehen.
Da ſchildert er mir ſeiner Jugend Wehen,
Wie er den Weg durch Klippen erſt gewann,
Ermattet drauf im Sande ſchier verrann,
Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen.
Wie wallt er doch ſo ſicher ſeine Bahn!
Bei allem Plänkeln, Hin- und Wiederſtreifen
Vergißt er nie: „Ich muß zum Ocean!“
Du, Seele, nur willſt in der Irre ſchweifen?
O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran,
Und lern' die Weisheit aus den Waſſern greifen!
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/152>, abgerufen am 22.07.2024. |