[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.Dem keine Glut ins Antlitz flammt, Wenn man ob Göttern hält Gericht, Der, wenn man sie zum Kreuz verdammt, Noch ruft: "Ich kenn' die Menschen nicht!" Der, wenn die Erde selbst sich härmt Und tief in sich zusammenschaudert, Am Feuer seine Hände wärmt Und mit des Richters Mägden plaudert. Du bist kein Fels, wie Petrus war, Du bist nur feig und schwach, wie er; Ein Morgenhauch bringt Dir Gefahr Und streut Dein Reich wie Sand umher! Du wirst erliegen, Lügenhirt, Empören werden sich die Denker, Das Brausen des Jahrhunderts wird Zertrümmern seine letzten Henker! Dem keine Glut ins Antlitz flammt, Wenn man ob Göttern hält Gericht, Der, wenn man ſie zum Kreuz verdammt, Noch ruft: „Ich kenn' die Menſchen nicht!“ Der, wenn die Erde ſelbſt ſich härmt Und tief in ſich zuſammenſchaudert, Am Feuer ſeine Hände wärmt Und mit des Richters Mägden plaudert. Du biſt kein Fels, wie Petrus war, Du biſt nur feig und ſchwach, wie er; Ein Morgenhauch bringt Dir Gefahr Und ſtreut Dein Reich wie Sand umher! Du wirſt erliegen, Lügenhirt, Empören werden ſich die Denker, Das Brauſen des Jahrhunderts wird Zertrümmern ſeine letzten Henker! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0125" n="119"/> <lg n="6"> <l>Dem keine Glut ins Antlitz flammt,</l><lb/> <l>Wenn man ob Göttern hält Gericht,</l><lb/> <l>Der, wenn man ſie zum Kreuz verdammt,</l><lb/> <l>Noch ruft: „Ich kenn' die Menſchen nicht!“</l><lb/> <l>Der, wenn die Erde ſelbſt ſich härmt</l><lb/> <l>Und tief in ſich zuſammenſchaudert,</l><lb/> <l>Am Feuer ſeine Hände wärmt</l><lb/> <l>Und mit des Richters Mägden plaudert.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Du biſt kein Fels, wie Petrus war,</l><lb/> <l>Du biſt nur feig und ſchwach, wie er;</l><lb/> <l>Ein Morgenhauch bringt Dir Gefahr</l><lb/> <l>Und ſtreut Dein Reich wie Sand umher!</l><lb/> <l>Du wirſt erliegen, Lügenhirt,</l><lb/> <l>Empören werden ſich die Denker,</l><lb/> <l>Das Brauſen des Jahrhunderts wird</l><lb/> <l>Zertrümmern ſeine letzten Henker!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [119/0125]
Dem keine Glut ins Antlitz flammt,
Wenn man ob Göttern hält Gericht,
Der, wenn man ſie zum Kreuz verdammt,
Noch ruft: „Ich kenn' die Menſchen nicht!“
Der, wenn die Erde ſelbſt ſich härmt
Und tief in ſich zuſammenſchaudert,
Am Feuer ſeine Hände wärmt
Und mit des Richters Mägden plaudert.
Du biſt kein Fels, wie Petrus war,
Du biſt nur feig und ſchwach, wie er;
Ein Morgenhauch bringt Dir Gefahr
Und ſtreut Dein Reich wie Sand umher!
Du wirſt erliegen, Lügenhirt,
Empören werden ſich die Denker,
Das Brauſen des Jahrhunderts wird
Zertrümmern ſeine letzten Henker!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/125 |
Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/125>, abgerufen am 22.07.2024. |