[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.Hier wollte ich als frommer Parse beten, Hier singen nach der Sterne reinem Takt, Hier mit der Donnerstimme des Profeten Gotttrunken jauchzen in den Katarakt. Ich wollte -- ja, ich habe mich vermessen -- In diesen Bergen suchen mir mein Glück; Ich wollte, ach! und konnte nicht vergessen Die Welt, die ich im Thale ließ zurück. O wie verlangt mich nach dem Staub der Strassen, Dem Druck, der Not da unten allzumal! Wie nach den Feinden selbst, die ich verlassen, Und nach der Menschheit vollster, tiefster Qual! Ihr glänzt umsonst, ihr Purpurwolkenstreifen, Und ladet mich gleich sel'gen Engeln ein; Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen, Und möcht' doch lieber auf der Erde sein. Hier wollte ich als frommer Parſe beten, Hier ſingen nach der Sterne reinem Takt, Hier mit der Donnerſtimme des Profeten Gotttrunken jauchzen in den Katarakt. Ich wollte — ja, ich habe mich vermeſſen — In dieſen Bergen ſuchen mir mein Glück; Ich wollte, ach! und konnte nicht vergeſſen Die Welt, die ich im Thale ließ zurück. O wie verlangt mich nach dem Staub der Straſſen, Dem Druck, der Not da unten allzumal! Wie nach den Feinden ſelbſt, die ich verlaſſen, Und nach der Menſchheit vollſter, tiefſter Qual! Ihr glänzt umſonſt, ihr Purpurwolkenſtreifen, Und ladet mich gleich ſel'gen Engeln ein; Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen, Und möcht' doch lieber auf der Erde ſein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0105" n="99"/> <lg n="3"> <l>Hier wollte ich als frommer Parſe beten,</l><lb/> <l>Hier ſingen nach der Sterne reinem Takt,</l><lb/> <l>Hier mit der Donnerſtimme des Profeten</l><lb/> <l>Gotttrunken jauchzen in den Katarakt.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Ich wollte — ja, ich habe mich vermeſſen —</l><lb/> <l>In dieſen Bergen ſuchen mir mein Glück;</l><lb/> <l>Ich wollte, ach! und konnte nicht vergeſſen</l><lb/> <l>Die Welt, die ich im Thale ließ zurück.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>O wie verlangt mich nach dem Staub der Straſſen,</l><lb/> <l>Dem Druck, der Not da unten allzumal!</l><lb/> <l>Wie nach den Feinden ſelbſt, die ich verlaſſen,</l><lb/> <l>Und nach der Menſchheit vollſter, tiefſter Qual!</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Ihr glänzt umſonſt, ihr Purpurwolkenſtreifen,</l><lb/> <l>Und ladet mich gleich ſel'gen Engeln ein;</l><lb/> <l>Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen,</l><lb/> <l>Und möcht' doch lieber auf der Erde ſein.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0105]
Hier wollte ich als frommer Parſe beten,
Hier ſingen nach der Sterne reinem Takt,
Hier mit der Donnerſtimme des Profeten
Gotttrunken jauchzen in den Katarakt.
Ich wollte — ja, ich habe mich vermeſſen —
In dieſen Bergen ſuchen mir mein Glück;
Ich wollte, ach! und konnte nicht vergeſſen
Die Welt, die ich im Thale ließ zurück.
O wie verlangt mich nach dem Staub der Straſſen,
Dem Druck, der Not da unten allzumal!
Wie nach den Feinden ſelbſt, die ich verlaſſen,
Und nach der Menſchheit vollſter, tiefſter Qual!
Ihr glänzt umſonſt, ihr Purpurwolkenſtreifen,
Und ladet mich gleich ſel'gen Engeln ein;
Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen,
Und möcht' doch lieber auf der Erde ſein.
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/105>, abgerufen am 22.07.2024. |