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Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

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Daher treten die farbigen Empfindungen nur unter besonders
günstigen Umständen über die Schwelle, im Übrigen werden sie
von der gleichzeitigen schwarzweißen Empfindung übertönt.

Alle Strahlen des sichtbaren Spectrums wirken
dissimilirend auf die schwarzweiße Substanz, aber
die verschiedenen Strahlen in verschiedenem Grade.
Auf die blaugelbe oder die grünrothe Substanz da-
gegen wirken nur gewisse Strahlen dissimilirend,
gewisse andere assimilirend und gewisse Strahlen
gar nicht
. Jede der drei Substanzen sieht also sozusagen ihr
besonderes Spectrum; im wirklichen Spectrum liegen diese drei
Partialspectren gleichsam über- oder ineinander. Das Spectrum
der schwarzweißen Substanz ist am weißesten oder hellsten im
"Gelb", und nimmt nach beiden Seiten an Helligkeit ab. Das
Spectrum der blaugelben Substanz zerfällt in zwei Theile, einen
gelben und einen blauen; beide Theile sind geschieden durch
eine Stelle, welche für die blaugelbe Substanz lichtlos ist, das
ist die Stelle des reinen "Grün". Das Spectrum der grünrothen
Sustanz zerfällt in drei Theile, einen mittleren grünen und zwei
rothe Endtheile. Dem entsprechend enthält es zwei Stellen,
welche für die grünrothe Substanz lichtlos sind, d. i. die Stelle
des reinen "Gelb" und des reinen "Blau". Das Totalspectrum
der Sehsubstanz hat also drei physiologisch ausgezeichnete Punkte,
das sind diejenigen, wo außer dem Weiß nur eine Grundfarbe
sichtbar ist, nämlich das reine Gelb, Grün und Blau. Das
eigentliche Roth ist im Spectrum äußerst schmal, denn das
Spectralroth enthält viel Gelb.

Der erste Theil des Spectrums vom Roth bis zum reinen
Gelb ist also (wenn wir vom Schwarz und den unter der Schwelle
befindlichen Gegenfarben der sichtbaren Farben absehen) gemischt
aus Weiß, Roth und Gelb; der zweite Theil vom reinen Gelb bis
zum Grün ist gemischt aus Weiß, Gelb und Grün, der dritte
Theil von Grün bis Blau aus Weiß, Grün und Blau, der vierte
endlich aus Weiß, Blau und Roth. Im reinen Gelb, Grün und Blau
erscheint außer der entsprechenden Grundfarbe nur noch Weiß.

Gemischtes Licht erscheint farblos, wenn es
sowohl für die blaugelbe als für die rothgrüne Sub-
stanz ein gleichstarkes Dissimilirungs- wie Assimi-

Daher treten die farbigen Empfindungen nur unter besonders
günstigen Umständen über die Schwelle, im Übrigen werden sie
von der gleichzeitigen schwarzweißen Empfindung übertönt.

Alle Strahlen des sichtbaren Spectrums wirken
dissimilirend auf die schwarzweiße Substanz, aber
die verschiedenen Strahlen in verschiedenem Grade.
Auf die blaugelbe oder die grünrothe Substanz da-
gegen wirken nur gewisse Strahlen dissimilirend,
gewisse andere assimilirend und gewisse Strahlen
gar nicht
. Jede der drei Substanzen sieht also sozusagen ihr
besonderes Spectrum; im wirklichen Spectrum liegen diese drei
Partialspectren gleichsam über- oder ineinander. Das Spectrum
der schwarzweißen Substanz ist am weißesten oder hellsten im
„Gelb“, und nimmt nach beiden Seiten an Helligkeit ab. Das
Spectrum der blaugelben Substanz zerfällt in zwei Theile, einen
gelben und einen blauen; beide Theile sind geschieden durch
eine Stelle, welche für die blaugelbe Substanz lichtlos ist, das
ist die Stelle des reinen „Grün“. Das Spectrum der grünrothen
Sustanz zerfällt in drei Theile, einen mittleren grünen und zwei
rothe Endtheile. Dem entsprechend enthält es zwei Stellen,
welche für die grünrothe Substanz lichtlos sind, d. i. die Stelle
des reinen „Gelb“ und des reinen „Blau“. Das Totalspectrum
der Sehsubstanz hat also drei physiologisch ausgezeichnete Punkte,
das sind diejenigen, wo außer dem Weiß nur eine Grundfarbe
sichtbar ist, nämlich das reine Gelb, Grün und Blau. Das
eigentliche Roth ist im Spectrum äußerst schmal, denn das
Spectralroth enthält viel Gelb.

Der erste Theil des Spectrums vom Roth bis zum reinen
Gelb ist also (wenn wir vom Schwarz und den unter der Schwelle
befindlichen Gegenfarben der sichtbaren Farben absehen) gemischt
aus Weiß, Roth und Gelb; der zweite Theil vom reinen Gelb bis
zum Grün ist gemischt aus Weiß, Gelb und Grün, der dritte
Theil von Grün bis Blau aus Weiß, Grün und Blau, der vierte
endlich aus Weiß, Blau und Roth. Im reinen Gelb, Grün und Blau
erscheint außer der entsprechenden Grundfarbe nur noch Weiß.

Gemischtes Licht erscheint farblos, wenn es
sowohl für die blaugelbe als für die rothgrüne Sub-
stanz ein gleichstarkes Dissimilirungs- wie Assimi-

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[120/0128] Daher treten die farbigen Empfindungen nur unter besonders günstigen Umständen über die Schwelle, im Übrigen werden sie von der gleichzeitigen schwarzweißen Empfindung übertönt. Alle Strahlen des sichtbaren Spectrums wirken dissimilirend auf die schwarzweiße Substanz, aber die verschiedenen Strahlen in verschiedenem Grade. Auf die blaugelbe oder die grünrothe Substanz da- gegen wirken nur gewisse Strahlen dissimilirend, gewisse andere assimilirend und gewisse Strahlen gar nicht. Jede der drei Substanzen sieht also sozusagen ihr besonderes Spectrum; im wirklichen Spectrum liegen diese drei Partialspectren gleichsam über- oder ineinander. Das Spectrum der schwarzweißen Substanz ist am weißesten oder hellsten im „Gelb“, und nimmt nach beiden Seiten an Helligkeit ab. Das Spectrum der blaugelben Substanz zerfällt in zwei Theile, einen gelben und einen blauen; beide Theile sind geschieden durch eine Stelle, welche für die blaugelbe Substanz lichtlos ist, das ist die Stelle des reinen „Grün“. Das Spectrum der grünrothen Sustanz zerfällt in drei Theile, einen mittleren grünen und zwei rothe Endtheile. Dem entsprechend enthält es zwei Stellen, welche für die grünrothe Substanz lichtlos sind, d. i. die Stelle des reinen „Gelb“ und des reinen „Blau“. Das Totalspectrum der Sehsubstanz hat also drei physiologisch ausgezeichnete Punkte, das sind diejenigen, wo außer dem Weiß nur eine Grundfarbe sichtbar ist, nämlich das reine Gelb, Grün und Blau. Das eigentliche Roth ist im Spectrum äußerst schmal, denn das Spectralroth enthält viel Gelb. Der erste Theil des Spectrums vom Roth bis zum reinen Gelb ist also (wenn wir vom Schwarz und den unter der Schwelle befindlichen Gegenfarben der sichtbaren Farben absehen) gemischt aus Weiß, Roth und Gelb; der zweite Theil vom reinen Gelb bis zum Grün ist gemischt aus Weiß, Gelb und Grün, der dritte Theil von Grün bis Blau aus Weiß, Grün und Blau, der vierte endlich aus Weiß, Blau und Roth. Im reinen Gelb, Grün und Blau erscheint außer der entsprechenden Grundfarbe nur noch Weiß. Gemischtes Licht erscheint farblos, wenn es sowohl für die blaugelbe als für die rothgrüne Sub- stanz ein gleichstarkes Dissimilirungs- wie Assimi-

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Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/128>, abgerufen am 22.11.2024.