[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Menschen, mit krausem Kopfe, wäre lächerlich, mich,
Menſchen, mit krauſem Kopfe, waͤre laͤcherlich, mich,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0075" n="72"/> Menſchen, mit krauſem Kopfe, waͤre laͤcherlich,<lb/> nicht ehrwuͤrdig: da koͤnnte die ſchwere trefliche<lb/> Locke, die vom erhabnen Scheitel herabfaͤllt,<lb/> nicht mehr den Olymp erſchuͤttern. Wiederum<lb/> gebe man einem Simſon, wenn er die Philiſter-<lb/> naͤgel ausreißt, weiches fließendes Haar und ſie<lb/> werden wohl ſtecken bleiben. Jch weiß nicht,<lb/> welcher Philoſoph es bemerkt hat, daß die Men-<lb/> ſchen mit vielen Wirbeln auch krauſer Gedanken<lb/> ſind, die ſich nicht eher ordnen und zur Ruhe le-<lb/> gen, bis das liebe Alter freilich auch ihr Haar,<lb/> wie ihren Sinn, ſchlichtet. Das alte Spruͤch-<lb/> wort, <hi rendition="#fr">kurzer Sinn und langes Haar</hi>, iſt be-<lb/> kannt, und iſt wahr, wie etwa ein Spruͤchwort<lb/> wahr ſeyn kann. Was wiederum ein <hi rendition="#fr">ausfal-<lb/> lendes</hi>, ein fruͤhe <hi rendition="#fr">bleichendes</hi> Haar fuͤr Ein-<lb/> druck bei dem, der es hat und der es ſieht, ma-<lb/> che, mag die Erfahrung zeigen. Wenn der<lb/> Mandelbaum fruͤhe bluͤhet und die Hoͤhe ſich<lb/> ſcheuet und kahl wird, ſo iſts wohl Krone, aber<lb/> eine nur durch Sorgen errungene Krone. Oft<lb/> gluͤhet die Hitze das Haar weg und das Haupt<lb/> ſteht, wie ein Berg in den Wolken, der hoͤchſte<lb/> und uͤber die andern wegſehend, aber nackt und<lb/> traurig. Man ſehe Swifts fuͤrchterlich glaͤn-<lb/> zende Glatze. — Wie angenehm und bedeu-<lb/> tend iſt an Kindern ihr Haupthaar. Wie bei<lb/><hi rendition="#fr">Plato</hi> Sokrates mit <hi rendition="#fr">Phaͤdons</hi>, ſo ſpielt, duͤnkt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mich,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0075]
Menſchen, mit krauſem Kopfe, waͤre laͤcherlich,
nicht ehrwuͤrdig: da koͤnnte die ſchwere trefliche
Locke, die vom erhabnen Scheitel herabfaͤllt,
nicht mehr den Olymp erſchuͤttern. Wiederum
gebe man einem Simſon, wenn er die Philiſter-
naͤgel ausreißt, weiches fließendes Haar und ſie
werden wohl ſtecken bleiben. Jch weiß nicht,
welcher Philoſoph es bemerkt hat, daß die Men-
ſchen mit vielen Wirbeln auch krauſer Gedanken
ſind, die ſich nicht eher ordnen und zur Ruhe le-
gen, bis das liebe Alter freilich auch ihr Haar,
wie ihren Sinn, ſchlichtet. Das alte Spruͤch-
wort, kurzer Sinn und langes Haar, iſt be-
kannt, und iſt wahr, wie etwa ein Spruͤchwort
wahr ſeyn kann. Was wiederum ein ausfal-
lendes, ein fruͤhe bleichendes Haar fuͤr Ein-
druck bei dem, der es hat und der es ſieht, ma-
che, mag die Erfahrung zeigen. Wenn der
Mandelbaum fruͤhe bluͤhet und die Hoͤhe ſich
ſcheuet und kahl wird, ſo iſts wohl Krone, aber
eine nur durch Sorgen errungene Krone. Oft
gluͤhet die Hitze das Haar weg und das Haupt
ſteht, wie ein Berg in den Wolken, der hoͤchſte
und uͤber die andern wegſehend, aber nackt und
traurig. Man ſehe Swifts fuͤrchterlich glaͤn-
zende Glatze. — Wie angenehm und bedeu-
tend iſt an Kindern ihr Haupthaar. Wie bei
Plato Sokrates mit Phaͤdons, ſo ſpielt, duͤnkt
mich,
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