[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Gewand gab er ihm, das der Finger durch- Ganz anders verhält sichs mit der Mahle- nicht C 3
Gewand gab er ihm, das der Finger durch- Ganz anders verhaͤlt ſichs mit der Mahle- nicht C 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0040" n="37"/><hi rendition="#fr">Gewand</hi> gab er ihm, das der Finger durch-<lb/> fuͤhle! Das Weſen ſeiner Kunſt blieb der <hi rendition="#fr">ſchlan-<lb/> ke Leib,</hi> das runde Knie, die weiche Huͤfte,<lb/> die Traube der jugendlichen Bruſt, und dem<lb/> aͤußern Erforderniſſe kam man doch auch nach.<lb/> Es war <hi rendition="#fr">gleichſam</hi> ein Kleid, wie die Goͤtter<lb/> Homers gleichſam Blut haben; die Fuͤlle des<lb/> Koͤrpers, die kein <hi rendition="#fr">Gleichſam,</hi> die Weſen der<lb/> Kunſt iſt, war und blieb Hauptwerk.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ganz anders verhaͤlt ſichs mit der Mahle-<lb/> rei, die, wie geſagt worden, nichts als Kleid<lb/> iſt, das iſt, ſchoͤne Huͤlle, <hi rendition="#fr">Zauberei mit Licht<lb/> und Farben zur ſchoͤnen Anſicht.</hi> Sie wuͤrkt<lb/> auf Flaͤche und kann nichts als <hi rendition="#fr">Oberflaͤche</hi> ge-<lb/> ben; zu der gehoͤren auch Kleider. Fuͤr unſer<lb/> Auge ſind dieſe die taͤglichen <hi rendition="#fr">Erſcheinungen</hi> der<lb/> Wahrheit, des Ueblichen, der Pracht, der<lb/> Zierde. Eben der Farbe, des Putzes, des ſchoͤ-<lb/> nen <hi rendition="#fr">Anſcheins</hi> wegen werden ſie oft gewaͤhlt und<lb/> gemuſtert, ſind der <hi rendition="#fr">ſchauenden</hi> ſchoͤnen Welt ſo<lb/> viel mehr als Beduͤrfniß — warum ſollten ſies<lb/> nicht auch der ſchauenden ſchoͤnen <hi rendition="#fr">Kunſt</hi> ſeyn?<lb/> Mahlerei kann Kleid, als das edelſte, was es<lb/> iſt, bearbeiten, als ein gebrochenes Licht, ein<lb/> Zauberduft fuͤrs Auge, der alles erhoͤhet, als<lb/> Nebel und ſchoͤne Farbe; warum <hi rendition="#fr">ſollte</hi> ſies alſo<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0040]
Gewand gab er ihm, das der Finger durch-
fuͤhle! Das Weſen ſeiner Kunſt blieb der ſchlan-
ke Leib, das runde Knie, die weiche Huͤfte,
die Traube der jugendlichen Bruſt, und dem
aͤußern Erforderniſſe kam man doch auch nach.
Es war gleichſam ein Kleid, wie die Goͤtter
Homers gleichſam Blut haben; die Fuͤlle des
Koͤrpers, die kein Gleichſam, die Weſen der
Kunſt iſt, war und blieb Hauptwerk.
Ganz anders verhaͤlt ſichs mit der Mahle-
rei, die, wie geſagt worden, nichts als Kleid
iſt, das iſt, ſchoͤne Huͤlle, Zauberei mit Licht
und Farben zur ſchoͤnen Anſicht. Sie wuͤrkt
auf Flaͤche und kann nichts als Oberflaͤche ge-
ben; zu der gehoͤren auch Kleider. Fuͤr unſer
Auge ſind dieſe die taͤglichen Erſcheinungen der
Wahrheit, des Ueblichen, der Pracht, der
Zierde. Eben der Farbe, des Putzes, des ſchoͤ-
nen Anſcheins wegen werden ſie oft gewaͤhlt und
gemuſtert, ſind der ſchauenden ſchoͤnen Welt ſo
viel mehr als Beduͤrfniß — warum ſollten ſies
nicht auch der ſchauenden ſchoͤnen Kunſt ſeyn?
Mahlerei kann Kleid, als das edelſte, was es
iſt, bearbeiten, als ein gebrochenes Licht, ein
Zauberduft fuͤrs Auge, der alles erhoͤhet, als
Nebel und ſchoͤne Farbe; warum ſollte ſies alſo
nicht
C 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |