[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.lichen Kinder, die hülflos um sie jammern und "hüllte C
lichen Kinder, die huͤlflos um ſie jammern und „huͤllte C
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0036" n="33"/> lichen Kinder, die huͤlflos um ſie jammern und<lb/> alle in ihren Schoos fliehen moͤchten, wie es die<lb/> Juͤngſte thut — ſie kniet weit- und reichbeklei-<lb/> det da, denn ſie iſt <hi rendition="#fr">Mutter,</hi> und ihr Todesſtar-<lb/> res, gen Himmel gewandtes Geſicht, ſammt der<lb/> Tochter in ihrem Schooße, iſt Ausdruck genug,<lb/> auf den der Kuͤnſtler hier wuͤrkte und nicht auf<lb/> kalte nackte Koͤrperſchoͤnheit. Eine <hi rendition="#aq">Juno Matro-<lb/> na</hi> unbekleidet, waͤre dem entgegen, was ſie iſt,<lb/> was ſie ſelbſt vor Paris war; Ehrfurcht ſoll ſie<lb/> einfloͤßen, nicht Liebe. Das Haupt der Nym-<lb/> phen und Veſtalinnen, die unſterblich ſchoͤne Diana,<lb/> muß bekleidet ſeyn, wie es ihr Stand und Cha-<lb/> rakter gebietet, und die Kunſt es zulaͤßt. Aber<lb/> eine Geſtalt der <hi rendition="#fr">Schoͤnheit,</hi> der <hi rendition="#fr">Liebe,</hi> des<lb/><hi rendition="#fr">Reizes,</hi> der <hi rendition="#fr">Jugend,</hi> Bacchus und Apollo,<lb/> Charis und Aphrodite, unter einem Mantel von<lb/> Stein waͤre Alles, was ſie ſind, was ſie hier<lb/> durch den Kuͤnſtler ſeyn ſollten, verſchleiert und<lb/> verlohren. Und man kann uͤberhaupt den Grund-<lb/> ſatz aunehmen, „daß wo der Griechiſche Kuͤnſtler<lb/> „auf Bildung und Darſtellung eines ſchoͤnen Koͤr-<lb/> „pers ausgieng, wo ihm nichts Religioͤſes oder<lb/> „Charakteriſtiſches im Wege ſtand, wo feine Fi-<lb/> „gur ein freies Geſchoͤpf der Muſe, ein ſub-<lb/> „ſtanzielles Kunſtbild, kein Emblem, keine<lb/> „hiſtoriſche Gruppe, ſondern Bild der Schoͤn-<lb/> „heit ſeyn ſollte, da bekleidete er nie, da ent-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">„huͤllte</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0036]
lichen Kinder, die huͤlflos um ſie jammern und
alle in ihren Schoos fliehen moͤchten, wie es die
Juͤngſte thut — ſie kniet weit- und reichbeklei-
det da, denn ſie iſt Mutter, und ihr Todesſtar-
res, gen Himmel gewandtes Geſicht, ſammt der
Tochter in ihrem Schooße, iſt Ausdruck genug,
auf den der Kuͤnſtler hier wuͤrkte und nicht auf
kalte nackte Koͤrperſchoͤnheit. Eine Juno Matro-
na unbekleidet, waͤre dem entgegen, was ſie iſt,
was ſie ſelbſt vor Paris war; Ehrfurcht ſoll ſie
einfloͤßen, nicht Liebe. Das Haupt der Nym-
phen und Veſtalinnen, die unſterblich ſchoͤne Diana,
muß bekleidet ſeyn, wie es ihr Stand und Cha-
rakter gebietet, und die Kunſt es zulaͤßt. Aber
eine Geſtalt der Schoͤnheit, der Liebe, des
Reizes, der Jugend, Bacchus und Apollo,
Charis und Aphrodite, unter einem Mantel von
Stein waͤre Alles, was ſie ſind, was ſie hier
durch den Kuͤnſtler ſeyn ſollten, verſchleiert und
verlohren. Und man kann uͤberhaupt den Grund-
ſatz aunehmen, „daß wo der Griechiſche Kuͤnſtler
„auf Bildung und Darſtellung eines ſchoͤnen Koͤr-
„pers ausgieng, wo ihm nichts Religioͤſes oder
„Charakteriſtiſches im Wege ſtand, wo feine Fi-
„gur ein freies Geſchoͤpf der Muſe, ein ſub-
„ſtanzielles Kunſtbild, kein Emblem, keine
„hiſtoriſche Gruppe, ſondern Bild der Schoͤn-
„heit ſeyn ſollte, da bekleidete er nie, da ent-
„huͤllte
C
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