wie Bild empfindet: so ist das Werk der Mahlerei tabula, tavola, tableau, eine Bildertafel, auf der die Schöpfung des Künstlers wie Traum da steht, in der Alles also auf dem Anschein, auf dem Nebeneinander beruhet. Hievon also muß Erfindung und Anordnung, Einheit und Mannich- faltigkeit (und wie die Litanei von Kunstnamen weiter heiße) ausgehen, darauf zurückkommen, und ist, wie viele Kapitel und Bände davon gefüllt werden, dem Künstler selbst aus einem sehr ein- fachen Grundsatze, der Natur seiner Kunst, mehr als sichtbar. Diese ist ihm das Eine Kö- nigsgesetz, außer dem er keines kennet, die Göt- tin, die er verehret. Jn der treuen Behandlung seines Werks muß ihm alle Philosophie darüber in Grund' und Wurzel, und als etwas so Ein- faches erscheinen, dessen alle das vielfache Ge- schwätz nicht werth ist.
Die Bildnerei arbeitet in einander, Ein lebendes, Ein Werk voll Seele, das da sei und daure. Schatte und Morgenroth, Blitz und Don- ner, Bach und Flamme kann sie nicht bilden, so wenig das die tastende Hand greifen kann; aber warum soll dies deshalb auch der Mahlerei versagt seyn? Was hat diese für ein ander Gesetz, für andre Macht und Beruf, als die große Tafel der Natur mit allen ihren Erscheinungen, in ihrer großen schönen Sichtbarkeit zu schildern? und
mit
wie Bild empfindet: ſo iſt das Werk der Mahlerei tabula, tavola, tableau, eine Bildertafel, auf der die Schoͤpfung des Kuͤnſtlers wie Traum da ſteht, in der Alles alſo auf dem Anſchein, auf dem Nebeneinander beruhet. Hievon alſo muß Erfindung und Anordnung, Einheit und Mannich- faltigkeit (und wie die Litanei von Kunſtnamen weiter heiße) ausgehen, darauf zuruͤckkommen, und iſt, wie viele Kapitel und Baͤnde davon gefuͤllt werden, dem Kuͤnſtler ſelbſt aus einem ſehr ein- fachen Grundſatze, der Natur ſeiner Kunſt, mehr als ſichtbar. Dieſe iſt ihm das Eine Koͤ- nigsgeſetz, außer dem er keines kennet, die Goͤt- tin, die er verehret. Jn der treuen Behandlung ſeines Werks muß ihm alle Philoſophie daruͤber in Grund’ und Wurzel, und als etwas ſo Ein- faches erſcheinen, deſſen alle das vielfache Ge- ſchwaͤtz nicht werth iſt.
Die Bildnerei arbeitet in einander, Ein lebendes, Ein Werk voll Seele, das da ſei und daure. Schatte und Morgenroth, Blitz und Don- ner, Bach und Flamme kann ſie nicht bilden, ſo wenig das die taſtende Hand greifen kann; aber warum ſoll dies deshalb auch der Mahlerei verſagt ſeyn? Was hat dieſe fuͤr ein ander Geſetz, fuͤr andre Macht und Beruf, als die große Tafel der Natur mit allen ihren Erſcheinungen, in ihrer großen ſchoͤnen Sichtbarkeit zu ſchildern? und
mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0029"n="26"/>
wie Bild empfindet: ſo iſt das Werk der Mahlerei<lb/><hirendition="#aq">tabula, tavola, tableau,</hi> eine <hirendition="#fr">Bildertafel</hi>, auf<lb/>
der die Schoͤpfung des Kuͤnſtlers wie Traum da<lb/>ſteht, in der Alles alſo auf dem <hirendition="#fr">Anſchein</hi>, auf<lb/>
dem <hirendition="#fr">Nebeneinander</hi> beruhet. Hievon alſo muß<lb/>
Erfindung und Anordnung, Einheit und Mannich-<lb/>
faltigkeit (und wie die Litanei von Kunſtnamen<lb/>
weiter heiße) ausgehen, darauf zuruͤckkommen, und<lb/>
iſt, wie viele Kapitel und Baͤnde davon gefuͤllt<lb/>
werden, dem Kuͤnſtler ſelbſt aus einem <hirendition="#fr">ſehr ein-<lb/>
fachen Grundſatze</hi>, der <hirendition="#fr">Natur ſeiner Kunſt</hi>,<lb/>
mehr als ſichtbar. Dieſe iſt ihm das Eine Koͤ-<lb/>
nigsgeſetz, außer dem er keines kennet, die Goͤt-<lb/>
tin, die er verehret. Jn der treuen Behandlung<lb/>ſeines Werks muß ihm alle Philoſophie daruͤber <hirendition="#fr">in<lb/>
Grund’ und Wurzel</hi>, und als etwas ſo <hirendition="#fr">Ein-<lb/>
faches</hi> erſcheinen, deſſen alle das vielfache Ge-<lb/>ſchwaͤtz nicht werth iſt.</p><lb/><p>Die Bildnerei arbeitet <hirendition="#fr">in einander, Ein</hi><lb/>
lebendes, Ein <hirendition="#fr">Werk</hi> voll Seele, das <hirendition="#fr">da ſei</hi> und<lb/>
daure. Schatte und Morgenroth, Blitz und Don-<lb/>
ner, Bach und Flamme kann ſie nicht bilden, ſo<lb/>
wenig das die taſtende Hand greifen kann; aber<lb/>
warum ſoll dies deshalb auch der Mahlerei verſagt<lb/>ſeyn? Was hat dieſe fuͤr ein ander Geſetz, fuͤr<lb/>
andre Macht und Beruf, als die <hirendition="#fr">große Tafel der<lb/>
Natur</hi> mit allen ihren <hirendition="#fr">Erſcheinungen</hi>, in ihrer<lb/><hirendition="#fr">großen ſchoͤnen Sichtbarkeit</hi> zu ſchildern? und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mit</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[26/0029]
wie Bild empfindet: ſo iſt das Werk der Mahlerei
tabula, tavola, tableau, eine Bildertafel, auf
der die Schoͤpfung des Kuͤnſtlers wie Traum da
ſteht, in der Alles alſo auf dem Anſchein, auf
dem Nebeneinander beruhet. Hievon alſo muß
Erfindung und Anordnung, Einheit und Mannich-
faltigkeit (und wie die Litanei von Kunſtnamen
weiter heiße) ausgehen, darauf zuruͤckkommen, und
iſt, wie viele Kapitel und Baͤnde davon gefuͤllt
werden, dem Kuͤnſtler ſelbſt aus einem ſehr ein-
fachen Grundſatze, der Natur ſeiner Kunſt,
mehr als ſichtbar. Dieſe iſt ihm das Eine Koͤ-
nigsgeſetz, außer dem er keines kennet, die Goͤt-
tin, die er verehret. Jn der treuen Behandlung
ſeines Werks muß ihm alle Philoſophie daruͤber in
Grund’ und Wurzel, und als etwas ſo Ein-
faches erſcheinen, deſſen alle das vielfache Ge-
ſchwaͤtz nicht werth iſt.
Die Bildnerei arbeitet in einander, Ein
lebendes, Ein Werk voll Seele, das da ſei und
daure. Schatte und Morgenroth, Blitz und Don-
ner, Bach und Flamme kann ſie nicht bilden, ſo
wenig das die taſtende Hand greifen kann; aber
warum ſoll dies deshalb auch der Mahlerei verſagt
ſeyn? Was hat dieſe fuͤr ein ander Geſetz, fuͤr
andre Macht und Beruf, als die große Tafel der
Natur mit allen ihren Erſcheinungen, in ihrer
großen ſchoͤnen Sichtbarkeit zu ſchildern? und
mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/29>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.