[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.streichende Gruppen ansehen, wir dieser körper- Wie weit wir da hinter ihnen stehen, mag Durch- G 2
ſtreichende Gruppen anſehen, wir dieſer koͤrper- Wie weit wir da hinter ihnen ſtehen, mag Durch- G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0102" n="99"/> ſtreichende Gruppen anſehen, wir dieſer <hi rendition="#fr">koͤrper-<lb/> lichen Wahrheit</hi> immer um ſo ferner bleiben.<lb/> Auch hier komme uns geiſtig das Gefuͤhl und die<lb/> dunkle Nacht zu Huͤlfe, die mit ihrem Schwam-<lb/> me alle Farben der Dinge ausloͤſcht und uns an<lb/> das <hi rendition="#fr">Haben</hi> und <hi rendition="#fr">Halten Einer Sache</hi> heftet. Die<lb/> Griechen wuſten wenig, aber das Wenige ganz<lb/> und gut: ſie erfaßtens und konntens geben, daß<lb/> es zu ewigen Zeiten lebe. So wie das Profil<lb/> ihres Angeſichts <hi rendition="#fr">gebildet</hi> und nicht <hi rendition="#fr">gemahlt</hi> iſt,<lb/> ſo ſinds auch ihre Werke.</p><lb/> <p>Wie weit wir da hinter ihnen ſtehen, mag<lb/> eine zukuͤnftige Zeit richten. Was iſt ſeltner in<lb/> unſern Tagen, als einen Menſchlichen <hi rendition="#fr">Charakter</hi><lb/> zu erfaſſen, wie er iſt, ihn treu und ganz zu hal-<lb/> ten und fortzufuͤhren? Da muß uns immer die<lb/> liebe Vernunft und Moral, wie das Licht und<lb/> die Farbe, zu Huͤlfe kommen, weil er auf ſeinen<lb/> Fuͤßen nicht ſtehen will und ſich von Seite zu Sei-<lb/> te, wie ein Geſpenſt, veraͤndert. Das macht,<lb/> wir ſehen ſo viel, daß wir gar nichts ſehen und<lb/> wiſſen ſo viel, daß gar nichts mehr <hi rendition="#fr">unſer,</hi> d. i.<lb/> etwas iſt, was wir nicht gelernt haben <hi rendition="#fr">konnten,</hi><lb/> was mit Tugenden und Fehlern aus unſerm <hi rendition="#fr">Jch</hi><lb/> entſprang. Heilige Nacht, Mutter der Goͤtter<lb/> und Menſchen, komme uͤber uns, uns zu er-<lb/> quicken und zu ſammeln. <hi rendition="#aq">Non multa, ſed mul-<lb/> tum.</hi> Mit welchem tiefen Verſtande und ſtillen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Durch-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0102]
ſtreichende Gruppen anſehen, wir dieſer koͤrper-
lichen Wahrheit immer um ſo ferner bleiben.
Auch hier komme uns geiſtig das Gefuͤhl und die
dunkle Nacht zu Huͤlfe, die mit ihrem Schwam-
me alle Farben der Dinge ausloͤſcht und uns an
das Haben und Halten Einer Sache heftet. Die
Griechen wuſten wenig, aber das Wenige ganz
und gut: ſie erfaßtens und konntens geben, daß
es zu ewigen Zeiten lebe. So wie das Profil
ihres Angeſichts gebildet und nicht gemahlt iſt,
ſo ſinds auch ihre Werke.
Wie weit wir da hinter ihnen ſtehen, mag
eine zukuͤnftige Zeit richten. Was iſt ſeltner in
unſern Tagen, als einen Menſchlichen Charakter
zu erfaſſen, wie er iſt, ihn treu und ganz zu hal-
ten und fortzufuͤhren? Da muß uns immer die
liebe Vernunft und Moral, wie das Licht und
die Farbe, zu Huͤlfe kommen, weil er auf ſeinen
Fuͤßen nicht ſtehen will und ſich von Seite zu Sei-
te, wie ein Geſpenſt, veraͤndert. Das macht,
wir ſehen ſo viel, daß wir gar nichts ſehen und
wiſſen ſo viel, daß gar nichts mehr unſer, d. i.
etwas iſt, was wir nicht gelernt haben konnten,
was mit Tugenden und Fehlern aus unſerm Jch
entſprang. Heilige Nacht, Mutter der Goͤtter
und Menſchen, komme uͤber uns, uns zu er-
quicken und zu ſammeln. Non multa, ſed mul-
tum. Mit welchem tiefen Verſtande und ſtillen
Durch-
G 2
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